101. Braucht die Welt eine Erlösung von etwas, was Gott verursacht hat? Wenn ja, dann ist die Hoffnung auf Erlösung in etwa so berechtigt wie der Glauben, dass jemand Deine Wunden heilt, weil  er Dich verletzt hat. Wenn Gott das nicht verursacht hat, obwohl er ja als die Ursache von allem gilt, wieso hat er das dann zugelassen? Konnte er es nicht verhindern, dann besteht nur eine geringe Wahrscheinlichkeit, dass er es in Zukunft tun wird. Denn warum sollte er in Zukunft können, der ewige Gott, wenn er es in der Vergangenheit nicht konnte? Wollte er es nicht, gilt dasselbe. Warum sollte Gott seine Meinung ändern? Wenn beispielsweise der »freie Willen« die Ursache für Leid ist, aber andererseits so wichtig ist, dass Gott deswegen Leid zulassen musste: Wird dann der freie Willen später so unwichtig, dass man ihn als Ursache beseitigen kann? Dann war er wohl doch nicht wichtig genug. Oder er ist weiterhin wichtig, dann besteht kein Anlass, ihn zu beseitigen. Dann soll wohl das Leid verschwinden, obwohl die Ursache dafür weiterhin besteht.

Danke für diesen sehr guten Beitrag, zu dem ich zunächst sagen würde: Ja, der Mensch braucht – aus christlicher Sicht – Erlösung von seinen Handlungen, die ein heiliger und gerechter Gott nicht konsequenzlos lassen kann. Dazu gehören natürlich solche Dinge wie Vergewaltigung, Mord usw., aber auch schon Dinge wie Lügen, Lästern etc.

Ist Gott aber dafür verantwortlich, wenn sich Menschen anstatt für das Gute (z.B. die Wahrheit) für das Ungute (z.B. die Lüge) zu entscheiden. Sie haben es ja schon ganz richtig gesagt: Christen glauben, dass Gott den Menschen als ein Gegenüber mit einer vollkommenen Willens- und Entscheidungsfreiheit geschaffen hat. Das ist u.a. deshalb so wichtig, da der Mensch frei entscheiden soll, ob er sich auf die Suche nach Gott begibt oder es sein lässt. Oder auch: Ob er sich für oder gegen Gott entscheidet. Denn nur, wenn diese Entscheidung frei ist, kann (sofern sie für Gott ausfällt) eine ehrliche und vertrauensvolle Beziehung entstehen.

Christen gehen davon aus, dass Gott den Menschen ursprünglich in seinem Bilde und damit als „sehr gut“ erschaffen hat; da er ihm aber ebenfalls vollkommene Entscheidungs- und Willensfreiheit gab, konnte sich der Mensch entscheiden, das Gute auch nicht zu tun – das Böse ist die logische Folge. Aus christlicher Sicht ist das Böse folglich das Resultat dessen, was passiert, wenn der Mensch seine gottgegebene Freiheit missbraucht und sich gegen das entscheidet, wie er von Gott ursprünglich gedacht wurde.

Wir sehen: Gott könnte das Böse zwar verhindern, möchte es aber nicht – eben aus dem Grund, weil er „zu unseren Gunsten“ entscheidet; denn andernfalls der Mensch hätte der Mensch keine wirkliche Entscheidungsfreiheit mehr: Gott müsste ansonsten bei wirklich jeder Sache, die ein heiliger und gerechter Gott nicht tolerieren kann (also selbst Lügen, Lästern, Neid, Hochmut etc.) sofort autoritär einschreiten. Es ist daher sehr gut für uns, dass er von seinem „Vetorecht“ nicht Gebrauch macht.

Und wenn ich Sie weiterhin recht verstehe, gehen Sie davon aus, dass der freie Wille „später“ (das meint wohl „im Jenseits“) nicht mehr existent sein wird. Wenn Sie mich fragen, sind solche Thesen immer höchst spekulativ. Auch die Bibel gibt hier nichts Eindeutiges drüber her. Ich persönlich werde mich daher hüten, eine klare Aussage zu tätigen und zu sagen: „Im Himmel wird es exakt so und so sein.“ (Ich kann das ja noch nicht mal mein für Leben in 20 Jahren im Hier & Jetzt sagen.)

Es gibt natürlich keinen zwingenden Grund anzunehmen, dass nur weil Gott uns als freie Gegenüber geschaffen hat, wir das auch immer sein werden. Es gibt aber genausowenig einen zwingenen Grund dafür anzunehmen, dass Gott freie Kreaturen geschaffen hat, die im Hier & Jetzt zum Sündigen fähig sind, im Himmel aber nicht mehr. Vielleicht werden wir das sein, vielleicht aber auch nicht – wer weiß.