Warum glauben Sie nicht an die Existenz des Fliegenden Spaghettimonsters, von Zeus, Vishnu oder Wotan? Wenn Sie verstehen, wieso Sie nicht an diese glauben, verstehen Sie hoffentlich auch, weshalb ich nicht an Jesus als Gott glauben kann.

Danke für diese gute Frage, die ja vollkommen berechtigt ist: Warum sollte jemand, der keinem Glauben angehört, sich aber vielleicht für das Thema interessiert, annehmen, dass ausgerechnet der christliche Gott existiert, nicht aber ein Zeus, ein Wotan oder gar das Fliegende Spagetthimonster?

Aus eigener Erfahrung kenne ich die Situation ziemlich gut, dass im Grunde alle Aussagen gerade in Bezug auf das Thema „Glaube“ zunächst einmal Behauptungen sind. Die einen behaupten, Gott sei ein persönlicher Gott, der sich in Jesus Christus offenbar hat, die anderen behaupten z.B., nicht der christliche Gott, sondern z.B. Zeus sei das „größte anzunehmende Wesen“. Das sind natürlich alles erst einmal nur Behauptungen, die nicht deshalb stimmen müssen, nur weil eine Person inbrünstig darauf besteht, dass das doch die Wahrheit sei.

Meine persönliche Devise lautet nun, sich natürlich mit all den Behauptungen näher zu beschäftigen, die gute Gründe für ihren Standpunkt aufweisen können. Damit fallen sicherlich nicht alle, doch aber – zumindest wenn man Ernst bleibt – einige raus. Mir sind z.B. bislang noch keine guten – und vor allem objektiven – Gründe zu Ohren gekommen, warum die Behauptung stimmen sollte, dass Wotan oder das Fliegenden Spagetthimonster wirklich existiert. (Sicher, an Ansätzen humorvoller oder gar sarkastischer Natur mangelt es sicher nicht, aber die möchten ja im Grunde auch gar nicht ernst genommen werden.)

Kommen wir zum christlichen Glauben, lesen wir hingegen das Folgende:

Historische Jesusforschung kann den christlichen Glauben niemals begründen oder gar seine Richtigkeit beweisen. Sie kann jedoch zeigen, dass dieser Glaube auf dem Wirken und Geschick einer Person gründet, die sich, wenn auch nicht in jedem Detail, so doch in wichtigen Facetten auch heute noch nachzeichnen lassen. Damit leistet sie für die Verantwortung des christlichen Glaubens in der modernen Welt einen substantiellen Beitrag. (J. Schröter 2010: Jesus von Nazaret, S. 34)

Dieser aktuelle Befund der historischen Jesusforschung, der sich derzeit in ihrer „dritten Runde“ („third quest) befindet, kommt für manche sicherlich überraschend, zeigt aber, dass der christliche Glaube in der Tat auf einer historischen nachprüfbaren Basis steht.

Christen glauben schließlich nicht eine Ideologie, eine Institution und in erster Linie übrigens auch nicht an ein Buch – sondern an eine Person: die Person Jesus Christus. Und die steht, im Gegensatz zu Ahura Mazda, Wishnu, Zeus, Mithras, Wotan usw. auf historisch überaus sicheren Beinen – zumindest dann, wenn man dem derzeitgen Stand der historischen Jesusforschungen Glauben schenken mag.

Selbst ein Gerd Lüdemann, sicherlich einer der schärfste Kritiker der christlichen Botschaft dieser Zeit, geht von der Historizität der Lebensbeschreibungen Jesu aus. Gerd Theißen, Professor Emeritus für Neutestamentliche Theologie, schreibt in seinem Standardwerk „Der historische Jesus – Ein Lehrbuch” (2011):

Das Matthäusevangelium ist durch frühe Papyri (ab ca. 200) und Zitate bei Kirchenvätern (seit der Mitte des 2. Jh.) hervorragend bezeugt. Die Integrität des auf Griechisch verfassten Textes steht nicht in Frage.

Das Johannesevangelium ist durch mehrere frühe Papyri von der 1. Hälfte des 2. Jh. an sehr gut bezeugt. Abgesehen von der eindeutig sekundären Perikope 7,53-8,11 ist der Text nach dem handschriftlichen Befund nie anders als in der vorliegenden Fassung kursiert.

Bei den Evangelien nach Markus und Lukas sieht es nicht anders aus. Und Theißens Analyse ist keinesfalls die einzige ihrer Art. Holger Strutwolf, Universitätsprofessor und Direktor des Instituts für neutestamentliche Textforschung in Münster, gibt zu verstehen:

Als Textkritiker ist zu sagen, dass die handschriftliche Überlieferung des neutestamentlichen Textes sehr treu und im Wesentlichen zuverlässig erfolgt ist, so dass man mit großer Zuversicht sagen kann, dass von textkritischer Seite keine Bedenken bestehen, dass der Text willentlich und grundsätzlich von späteren Tradenten verfälscht worden sein könnte.

Wir sehen: Der einzige Ort, an dem der Inhalt der Lebensbeschreiben Jesu noch als Mythologien angesehen werden, ist der Bereich des Sensationsjournalismus oder der populären Literatur. Wer die neutestamentliche Texte aber aufmerksman liest, erkennt schnell, dass die Autoren aufrichtig und ernsthaft an die Wahrheit dessen glaubten, was sie auch verkündeten. Deren Meinung muss man ja nicht teilen, aber zumindest anerkennen, dass sie fest davon überzeugt waren, was sie da aufschrieben.

Wenn Theißen (2011) die insgesamt fünf Phasen der Leben-Jesu-Forschung auflistet, wird rasch klar, dass die Zeiten, in denen man die Evangelien als mythenhafte Legenden abstempelte, längst vorbei sind – im 18./19. Jahrhundert gingen Leute wie Lessing, Herder und Strauß noch davon aus, dass die Berichte über Jesus im Laufe der Jahrhunderte ihrer Überlieferung bis zur Unkenntlichkeit verfälscht, aufgebauscht und mythologisiert wurden. Diese Annahmen sind mit dem heutigen Stand historischer Forschung, der so genannten “Third-Quest”-Phase, allerdings nicht mehr vereinbar.

Der Kern des christlichen Glaubens, namentlich die Person Jesu, steht folglich auf einem historisch festen und damit nachprüfbaren Fundament. Und das ist nun ein ganz andere Ausgangslage als es zum Beispiel bei Zeus, Odin oder dem Fliegenden Spaghettimonster der Fall ist.

Natürlich muss der christliche Glaube nicht zwangsläufig richtig sein, nur weil er „auf dem Wirken und Geschick einer Person gründet, die sich, wenn auch nicht in jedem Detail, so doch in wichtigen Facetten auch heute noch nachzeichnen lassen“; aber genau diese historische Nachprüfbarkeit macht ihn meiner Ansicht so interessant und alle anderen Behauptungen, die über keinerlei objektiv nachprüfbare Ausgangslage verfügen, so uninteressant.