Haben Christen die Wahrheit gepachtet? Über Wahrheit & Toleranz

Die Sorge ist ja ganz berechtigt: Wenn ein Mitglied einer bestimmten Weltanschauung einen allgemeinen Wahrheitsanspruch erhebt und damit gleichzeitig sagt, dass andere Ansprüche dieser Art nicht greifen, ist das nicht automatisch intolerant & arrogant? Und gerade weil der Begriff “Toleranz” in diesem Zusammenhang so zentral ist, mag es nicht schaden, ihn näher zu betrachten. Toleranz ist in seiner klassischen Sicht die Auffassung:

“Ich habe einen Standpunkt, den ich für überzeugend halte, aber ich kann es aushalten, wenn jemand anderes einen anderen Standpunkt hat. Ich teile die Sicht meines Gegenübers zwar nicht und glaube sogar, dass er bei bestimmten Punkten nicht richtig liegt. Ich werde ihm aber stets mit vollem Respekt und Wertschätzung begegnen.”

Ich halte diese Einstellung gerade für Christen für sehr zentral, aus einem einfachen Grund, weil sie schlichtweg „bibel-kompatibel“ ist. Denn im Neuen Testament, im Gründungsdokument der Christen also, fordert Jesus genau das. Dort sagt er nämlich:

“Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zu Gott, dem Vater, außer durch mich.”

und im gleichen Neuen Testament sagt er:

“Liebt eure Feinde. Selbst die Menschen, die nicht für Euch sind. Begegnet ihnen mit Liebe und tretet für Sie ein.”

Jesus fordert Christen also dazu heraus, jedem Menschen – selbst denen, die einem nichts Gutes wollen – mit höchster Wertschätzung zu begegnen. Nicht nur mit Toleranz, sondern sogar viel mehr als das – mit Liebe. So sollte ein Toleranzverständnis sein, für das Christen sich stark machen – zumindest sollten sie es, eben weil es “im Sinne des Erfinders” ist. Solch eine Toleranz steht dann auch nicht im Widerspruch zu einem Wahrheitsanspruch. Es ist sehr gut möglich, auf diese Art und Weise tolerant zu sein und zugleich einen Wahrheitsanspruch zu erheben. Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, das man auch für das werben darf, was man für die Wahrheit hält, mit der Einschränkung, dass dieses Werben nur dann geschehen darf, wenn es friedlich und respektvoll daherkommt und auch nur mit den Mitteln des Arguments zu überzeugen versucht wird.

Anders kann es meiner Ansicht nach – gerade bei Glaubensfragen – auch gar nicht funktionieren: Man kann Glauben nicht erzwingen oder andere dazu überreden, genau so wenig, wie ein Junge ein Mädchen dazu zwingen oder überreden kann, ihn zu lieben. Immer, wenn dies im Laufe der Geschichte versucht wurde, sei es nun in Glaubens- oder in Partnerschaftsdingen, ist es fürchterlich und traurig ausgegangen. Und aus Glaubensperspektive ist das auch sehr logisch: Glaube kann man nicht erzwingen, denn Glauben heißt Vertrauen, da schnippt man nicht einfach mit den Finger und hat ihn. Aber kommen wir wieder zurück zur Frage, wie sich Wahrheitsansprüche zueinander verhalten können.

Ich bin der Meinung, dass es keine Alternative zur Suche nach der einen Wahrheit gibt – und das insbesondere aus dem einem Punkt: Die Alternativen, dass es eben nicht eine Sache gibt, die die Welt im Inneren zusammenhält, sind alles andere als überzeugend! Ich erwarte nun gar nicht, dass sie meine Meinung sofort teilen, nur weil ich sie hier aufschreibe – ich will sie Ihnen im Folgenden aber immerhin begründen. Wie sehen die denkbaren Alternativen denn aus?

Alternative 1: “Alles ist irgendwie wahr”

Eine erste Alternative zur Sicht, dass es nur eine Wahrheit gibt, wäre eine pluralistische gemäß der Auffassung: “Vielleicht ist ja alles irgendwie wahr.” Somit hat im Grunde keiner Unrecht oder positiv gesagt: Alle haben irgendwie Recht. Nun, ich gebe zu, dass klingt in der Tat sehr sympathisch und scheint Streit &  Stress zu vermeiden. Allerdings hat die Sache einen entscheidenden Haken: Wer diese Meinung vertritt, hört nicht darauf, was die Religionen über sich selbst sagen – bügelt vielmehr glasklare & identitätsstiftende Unterschiede zwischen ihnen einfach mal so glatt. Diese werden zwar sicherlich wahrgenommen, aber es wird gedacht oder sogar behauptet, dass sie nicht wichtig sind. Das führt letzten Endes dazu, dass der eigentliche Glaube der verschiedenen Religionen im Grunde gar nicht ernst genommen wird. Die Identität der verschiedenen Religion wird zum Opfer menschlichen Toleranzbestrebens.

Welche Unterschiede zwischen den Religionen gibt es aber? Und sind sie wirklich so gravierend und erwähnenswert? Menschen, die meinen, dass es falsch sei, andere Wahrheitsansprüche als unkorrekt zu bezeichnen, sagen ja beispielsweise: Nicht ein bestimmter, sondern alle Wege führen letztlich zu Gott. Aber die Frage sollte erlaubt sein: Ist dem wirklich so? Zum Glück ist es ja keine Raketenwissenschaft, sich mal einen profunden Überblick über die verschiedenen Glaubensgemeinschaften zu verschaffen. Wer sich mal näher mit den unterschiedlichen Religionen auseinandersetzt, wird rasch merken, dass die Wege zu Gott alles andere als gleich beschrieben werden. Hier nur einmal ein paar wenige Beispiele:

Im Buddhismus existiert zum Beispiel gar kein (ewiger und allmächtiger) Gott, zu dem man gelangen könnte. Diese Vorstellung ist für Buddhisten vollkommen fremd. Das sieht aber wieder ganz anders aus, wenn wir uns etwa den Islam zuwenden. Muslime glauben an einen persönlichen, allmächtigen und heiligen Gott, zu dem jeder kommt, der sich das durch gutes und recht motiviertes Handeln verdient hat. Der christliche Glaube sagt da nun genau das Gegenteil: Zu Gott kommt man nicht, indem man sich das durch gutes Tun verdient hat. Christen glauben, dass wir nicht durch unser Tun vor Gott gerecht sind, sondern durch das, was Christus für uns getan hat. Wir sehen: Bereits bei drei Religionen liegen uns drei unterschiedliche Wege zu Gott vor. Hier herrscht also alles andere als Übereinstimmung, es ist vielmehr logische unmöglich, dass etwa Buddhisten und Muslime gleichzeitig Recht haben können.

Aber schauen wir uns einmal etwas noch Zentraleres an: Die Kernbotschaften der verschiedenen Religionen – wie sieht es hier aus: Sind die vielleicht alle gleich? Die erwartbare Antwort vorweg: Nein. Und warum, das sehen wir, wenn uns die verschiedenen Kernaussagen mal näher anschauen: Bei Buddhisten finden wir den Hauptgedanken, dass das Leben Leiden ist. Dieses Leid hat verschiedene Ursachen und kann durch Sittlichkeit, Weisheit und Vertiefung beendet werden. Der Islam besagt hingegen, dass es keinen Gott außer Allah gibt, keiner ihm gleich und Mohammed sein Prophet ist. Christen glauben im Kern, dass Gott in Jesus zur Welt kam, am Kreuz für unsere Verfehlungen starb und nach drei Tagen wieder auferstanden ist. Und die engagierten Vertreter des jeweiligen Religionen sagen sogar selbst: Unsere Kernbotschaft ist nicht mit der Kernbotschaft der anderen vereinbar, wir beschreiben die Wirklichkeit auf vollkommen unterschiedliche Weise.

Lassen Sie mich das noch etwas zuspitzen, indem wir uns den wesentlichem Unterschied zwischen dem Islam und Christentum etwas genauer anschauen: Im Koran finden wir in der Sure 4, 157 eine für unseren Religionsvergleich sehr zentrale Stelle – dort steht nämlich, dass Jesus weder getötet noch gekreuzigt wurde. Es kam allen Anwesenden einst nur so vor, dass dies der Fall war, so heißt es. Soweit zum Thema „Koran & Kreuzigung“. Muslime verneinen also bereits, dass Jesus überhaupt gekreuzigt wurde. Aus christlicher Sicht ist diese Aussage unhaltbar und schlich und ergreifend falsch. Aber es kann nicht beides gleichzeitig wahr sein: Jesus kann nicht gekreuzigt und gleichzeitig nicht gekreuzigt worden sein – das ist logisch unmöglich.

“Naja”, sagen vielleicht einige, “lassen wir doch mal die Logik beiseite – vielleicht geht das ja doch irgendwie. Auch wenn jeder etwas anderes sagt, verweisen sie doch irgendwie alle auf dieselbe göttliche Wirklichkeit.” Das Problem dieser Ansicht, die alle Wahrheitsansprüche in einem Topf schmeißt, ist nur: Sie stellt selbst einen Wahrheitsanspruch dar, der allen Wahrheitsansprüchen übergeordnet ist. Ich möchte das kurz an dem berühmten Beispiel “Die blinden Männer und der Elefant” verdeutlichen. Betrachten wir dazu zunächst die folgende Zeichnung:

Die sechs blinden Männer berühren hier den einen Elefanten und beschreiben ihn, wie sie ihn verstehen bzw. wahrnehmen. Und jeder ist für sich selbst überzeugt. “Der Elefant, der ist wie ein Baum”, “Nein, er ist wie eine Schlange” und so weiter…Die Pointe ist, dass es so ja auch mit den Religionen sein könnte. Da gibt es die Muslime, die sagen das eine, und die Christen, die sagen das andere, und Buddhisten, Hindus, die Naturreligionen usw. sagen alle wieder etwas anderes, aber in Wirklichkeit ist alles derselbe Elefant. Es ist alles dieselbe göttliche Wirklichkeit.

Möglicherweise haben Sie den Haken des Beispiels erkannt: Wir als Betrachter des Bildes sind, im Gegensatz zu den sechs Männern, eben nicht blind, sondern können den Elefanten in seiner Gesamtheit sehen. Das Bild oben würde anders auch gar nicht funktionieren. Der Zeichner des Bildes sagt uns also: “Den sechs Leuten kommt es so vor, als ob der Elefant unterschiedlich sei, aber das ist er in Wirklichkeit gar nicht. Das Handicap der Blinden, das habe ich eben nicht, ich bin sehend und kann sagen: ‘Was sie für unterschiedliche Wirklichkeiten halten, ist in Wirklichkeit ein und dieselbe Wahrheit.”

Das mag für dieses “tierische” Beispiel noch durchaus lustig und nachvollziehbar sein. Münzen wir es allerdings auf die Ebene einer Person um, die da sagt: “Was die ganzen Religionen für unterschiedliche göttliche Wirklichkeiten halten, ist in Wirklichkeit ein und dieselbe göttliche Wahrheit”, dann haben wir es schlagartig mit einem Wahrheitsanspruch zu tun, der ausgereifter wohl nicht sein kann. Eine Person mit dieser Meinung behauptet letztlich: “Ich stehe über der Welt. Ich sehe, wie die Menschen sich um die Wahrheit bemühen. Da sind die Christen, Muslime, Buddhisten usw. Sie alle haben viel verstanden und begriffen. Aber in Wirklichkeit habe ich Recht, denn in Wirklichkeit ist alles derselbe Elefant.”

Sie merken sicherlich, der Wahrheitsanspruch “Alles ist irgendwie wahr” ist nicht wirklich eine “echte” Alternative zu einem Wahrheitsanspruch – eben aus dem Grund, weil er selbst ein absoluter Wahrheitsanspruch ist. Zudem ist diese vermeintliche Alternative auch nicht wirklich überzeugen, da sie große logische Probleme mit sich bringt. Wir haben da etwa gesehen: Buddhisten sagen, es gibt keinen Gott, Muslime sehen nun mal ganz anders. Sie würden auch sagen, dass man dadurch angenehm vor Gott wird, indem man sich das gute Taten verdient. Christen sagen hingegen, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Christen sagen, dass wir nicht durch unser Tun vor Gott angenehm werden, sondern durch das, was Jesus am Kreuz für uns getan hat. Es ist also noch nicht mal möglich, dass diese zwei Religionen gleichzeitig wahr sein können – geschweige denn von allen.

Alternative 2: “Es gibt keine allgemeine Wahrheit”

Die zweite Alternative zur Ansicht, dass es nur eine allgemeine Wahrheit gibt, ist die folgende:

“Es gibt gar keine „Wahrheit“. Dieses ganze Gerede von Wahrheit ist einfach unsinnig.”

Ich will nun gar nicht sagen, dass man diese Ansicht nicht haben darf – natürlich darf man das. Ich möchte sie nur einmal etwas genauer betrachten: Diese Haltung ist ja eine relativistische Sichtweise, die ganz offenkundig besagt, dass es keine Wahrheit gibt und dass es auch keinen Sinn macht, von Wahrheit zu reden. Das Problem des Relativismus ist nur der, dass er in sich widersprüchlich ist. Und das ist ja in der Tat ein erhebliches Problem. Denn die Kernaussage des Relativismus lautet ja:

“Es gibt keine allgemeine Wahrheit.”

Wahrscheinlich fällt es Ihnen bereits auf: Diese Aussage, die die Existenz von Wahrheit verneint, ist selbst ein Wahrheitsanspruch. Nämlich der, dass es wahr ist, dass es eben keine Wahrheit gibt. Löst diese Alternative also das Problem, einen absoluten Wahrheitsanspruch zu vermeiden? Offensichtlich nicht. Zudem widerspricht die Aussage “Es gibt keine Wahrheit” darüber hinaus sich selbst – auch sie ist also keineswegs überzeugend.

„Aber Moment!“, sagen nun einige. „Natürlich ist so etwas wie Glaube relativ. Warum? Weil er nun mal von seinem sozialen und gesellschaftlichen Umfeld abhängt. Wäre ein Christ nicht in Deutschland geboren, sondern z.B. in Saudi-Arabien, dann wäre er mit Sicherheit kein Christ – sondern Moslem.“ Und wissen Sie was? Ich würde das noch nicht einmal verneinen. Es ist ja sehr gut denkbar: Glaube ist gesellschaftlich konstruiert. Das Problem dabei ist nur: Warum sollten nur theistische Weltsichten gesellschaftlich konstruiert sein? Warum nicht auch atheistische oder agnostische? Wenn ein Atheist in Saudi-Arabien geboren wäre, wäre er mit Sicherheit auch kein Atheist. Warum sollte man hier mit anderem Maß messen? Wir sehen: Die Denkweise, dass Weltsichten konstruiert sind, zieht allen Weltsichten den Boden unter den Füßen weg – unerfreuchlicherweise auch der eigenen. Ist folglich vielleicht also doch alles relativ – gibt es wirklich keine Wahrheit? Nun, wie wir gerade oben gesehen haben, ist das schon rein logisch nicht möglich. Auch diese Denkweise führt uns also in eine Sackgasse.

Trotz allem hat die Frage der Wahrheit für mich persönlich eine hohe Bedeutung. Warum? Nun, ich habe nur dieses eine Leben hier und das ist mir viel zu wertvoll und zu kostbar, als dass ich mich mit weniger zufriedengeben möchte als mit einer Wahrheit, auf die ich mich verlassen kann. Ich möchte mein Leben auf etwas aufbauen, das mich persönlich wirklich überzeugt. Ich habe dies im christlichen Glauben gefunden und solange mir nichts anders begegnet, was mich noch mehr überzeugt, bleibe ich dabei. Gerade deshalb liegt mir so viel an einer überzeugenden Wahrheit.

“Was soll stimmen und wo soll man beginnen?”

“Na ja”, denken nun manche, “vielleicht ist da ja doch etwas an dieser einzige Wahrheit dran – aber: Wenn ich mich mal probeweise auf diesen Gedanken einlasse, wo soll ich denn bitteschön meine Suche beginnen? Was soll denn wahr sein? Etwa der christliche Glaube – und zwar aus dem Grund, weil ich im christlichen Deutschland aufgewachsen bin? Weil meine Eltern Christen sind oder weil meine Tante irgendwie christlich geprägt ist? Weil mir Leute mal ein Buch vor die Nase gelegt haben und zu mir meinten: “Das ist die Bibel, das Wort Gottes. Dieser Heiligen Schrift kannst du vertrauen, die Bibel ist nämlich wahr, weil die Bibel nun mal wahr ist.”

Wer diese oder ähnliche Sorgen oder Vorbehalte hat, den kann ich nur allzu gut verstehen. Nun würde ich auch niemals sagen, dass man dem christlichen Glauben aufgrund von schlechten oder windigen Gründen den Vorzug geben sollte. Nein, das wäre sehr töricht. Es sollte schon gut begründet sein, warum man sich für das eine und gegen das andere entscheidet. Und ich rede hier auch nur davon, wo man seine Suche nach Wahrheit beginnen und starten kann. Von nichts Weiterem. Irgendwo muss man ja anfangen.

Aus meiner Sicht wäre es viel zu einfach und viel zu naiv zu antworten: “Fange bei dem Glauben an, der dir am nächsten steht.” Das wäre aus meiner Sicht sogar sehr fatal, eben deshalb, weil diese Begründung eher einem Schuss ins Blaue ähnelt als einer begründeten Entscheidung, wo die eigene Suche beginnen soll. Aus diesem Grund möchte ich Ihnen im Folgenden drei rationale Gründe nennen, warum es durchaus Sinn ergibt, die Suche nach Wahrheit beim christlichen Glauben zu beginnen. Oder ihn zumindest nicht außer Acht zu lassen.

Der erste Grund: Die Glaubwürdigkeit der christlichen Botschaft ist überprüfbar

Was meine ich damit? Der Kern des christlichen Glaubens ist ja bekannterweise die Person Jesus Christus. Und über diesen finden wir viele Aussagen: Aussagen über sein Leben, seine Lehre, seinen Tod und seine Auferstehung. Der springende Punkt ist nun, dass es ist möglich, diesen Glaubenskern gewissenhaft, sorgfältig und ernsthaft auf seine historische Glaubwürdigkeit hin zu prüfen. “Moment”, sagen manche nun, “ist er das wirklich? Ist die historische Glaubwürdigkeit der Evangelien wirklich überprüfbar? Ist es in Wirklichkeit nicht so, dass diese Texte im Laufe der vielen Jahrhunderte verfälscht wurden – absichtlich oder meinetwegen auch unabsichtlich?”

Ich finde diesen Einwand sehr gut, den darf man haben. Was sagen denn diejenigen, die sich beruflich mit Fragen wie dieser beschäftigen? Holger Strutwolf zum Beispiel, Universitätsprofessor und Direktor des Instituts für neutestamentliche Textforschung in Münster, meint:

Als Textkritiker ist zu sagen, dass die handschriftliche Überlieferung des neutestamentlichen Textes sehr treu und im Wesentlichen zuverlässig erfolgt ist, so dass man mit großer Zuversicht sagen kann, dass von textkritischer Seite keine Bedenken bestehen, dass der Text willentlich und grundsätzlich von späteren Tradenten verfälscht worden sein könnte.

Damit reiht sich Strutwolf in die Mehrheitsmeinung der neutestamentlichen Textforscher ein. Und auch die Mehrheit der einschlägigen Neutestamtler – Historiker also, deren Forschungsschwerpunkt auf der Historizität des Neuen Testaments liegt – ist heutzutage mehrheitlich der Meinung, dass das Neue Testament als historisch glaubwürdig einzustufen ist. Und mit der Mehrheit der Textkritiker und der Mehrheit der Neutestamentler meine ich nicht nur die gläubigen Vertreter dieser Zunft. Nein, die Mehrheit schließt natürlich alle Vertreter ein, auch diejenigen, die mit dem Thema “Gott & Glaube” nicht viel anfangen können.

Ich erwarte aber gar nicht, dass Sie mir etwas nur deshalb glauben, weil ich es hier aufgeschrieben habe. Von daher ist es vollkommen in Ordnung, wenn Sie sich selbst ein Bild der Lage machen möchten – und wie gesagt: Es ist möglich! Ein besonderes Augenmerk verdient hier sicherlich der eigentliche Grund der christlichen Hoffnung – die Auferstehung Jesu. Denn Christen saugen sich ihre Hoffnung ja nicht einfach so aus den Fingern. Und gerade die Auferstehung ist ja immens wichtig, was den Wahrheitsgehalt des christlichen Glaubens anbelangt. Das sehen wir gerade dann, wenn wir einen Blick in die neutestamentlichen Schriften wagen, wo zu lesen ist:

 Wenn aber Christus nicht auferstanden ist, so ist unsere Verkündigung vergeblich, und vergeblich auch euer Glaube! … Ist aber Christus nicht auferweckt worden, so ist euer Glaube nichtig.“

Wir sehen, wie eng die Verknüpfung ist: Selbst die ersten Christen waren der Meinung, dass der christliche Glaube mit der Frage der Auferstehung steht und fällt. Wenn Christus nicht auferstanden ist, dann ist auch der christliche Glaube nicht wahr! Eine harte, aber sehr ehrliche Aussage. Wenn Sie sich also mal testweise auf die Suche nach der historischen Glaubwürdigkeit des christlichen Glaubens begeben möchten, ist die Auferstehung Jesu wohl der Startpunkt schlechthin – denn genau hier (und nur hier) entscheidet sich der christliche Glaube: “Ist aber Christus nicht auferweckt worden, so ist euer Glaube nichtig.“ Und es gibt ja durchaus gute Gründe, warum man die Auferstehung Jesu historisch ernst nehmen sollte; Sie finden sie in diesem Blogbeitrag)

Und wir brauchen es gar nicht zu verschweigen: Es gibt Gründe dafür, die Auferstehung geschichtlich ernst zu nehmen, aber natürlich auch Argumente dagegen. Keine Frage. Und eine gewissenhafte Überprüfung sollte sicherlich beide berücksichtigen, eine einseitige Beschäftigung führt ja selten zu etwas Gutem. Nein, schauen Sie sich die Dafürs & die Dagegens mal in aller Ruhe an. Und auch ganz wichtig: Es ist vollkommen in Ordnung, wenn Sie nach einer gewissenhaften und ernsthaften Überprüfung der Lage zum Ergebnis kommen: “Das mit Jesus, das kann alles nicht stimmen.” Aber vielleicht kommen Sie ja auch zu einer Sicht wie: “So ganz unplausibel und abwegig klingt es vielleicht doch nicht – ich lasse mich zumindest mal probeweise weiter darauf ein und fühle der Ganzen weiter auf den Zahn.”

Grund 2: Das christliche Angebot versteht sich als ein Geschenk

Was meine ich nun hiermit? Christen glauben ja, dass man sich Gottes Angebot nicht erarbeiten oder verdienen muss – sie sagen sogar, dass man das gar nicht kann. Christen glauben vielmehr, dass Gottes Liebe ein freies Geschenk für jede/n ist. Die christliche Botschaft lautet ja, dass wir nicht durch unser Tun erlöst sind, sondern durch das, was Christus für uns getan hat. Man muss hierfür also nichts selbst leisten, keinerlei Voraussetzungen mit sich bringen – und auch ganz wichtig: Es gibt keine auch nachträglichen Bedingungen. Jeder kann so kommen, wie er gerade ist.

Denn ganz häufig begegnet uns in der Welt der Religionen ja folgendes Bild: Da wird ein herrliches und großes Ziel vor Augen gemalt. Etwas sehr Gutes: der Himmel, die Erlösung, die Erkenntnis. Und Religion (und ich nehme die christliche Tradition da gar nicht aus) ist zumeist sehr gut darin, dieses Ziel in den goldensten Farben zu malen und Menschen dann zu fragen: “Du willst doch dahin, oder? Das schaffst du auch, wir werden dir sagen, wie es geht. Folgende Gebote musst du einhalten, folgende Regeln musst du befolgen, folgende Rituale vollziehen. Und wenn du dich nur immer strebsam bemühst und anstrengst, dann kommst du vielleicht einmal zu diesem herrlichen Ziel.” Religion es stets ganz gut hinbekommen, diesen Weg aufzuzeigen. Der kann manchmal sehr beschwerlich sein, manchmal auch etwas einfach, aber das religiöse Prinzip ist stets das Gleiche:

“Da ist das Ziel: Der Himmel, die Erlösung, die Erkenntnis – und so kommst du dahin. Wir zeigen dir, wie es geht. Folgende Dinge musst du tun, folgende Bedingungen erfüllen, folgende Regeln und Gebote halten.”

Das Spannende am christlichen Glauben ist nun, dass er in seinem Kern genau das Gegenteil besagt, nämlich: Nicht wir arbeiten uns zu Gott vor, sondern Gott kommt zu uns herunter. Gott sucht nach uns, er läuft uns hinterher, im mit vielen verloren Gegangenen den Kontakt wieder aufzunehmen. Dieser Jesus, von dem ich grad erzählte, der ist es, der von sich sagt: “Ich bin die Wahrheit. Du braucht nicht länger zu suchen.” Das ist nicht jemand, der sich aufspielt und Menschen zu manipulieren versucht, sondern jemand, der friedlich um jeden Einzelnen wirbt. Glaube ist ein unverdientes Geschenk.

Grund 3: „Jesus fasziniert sie alle!“

Wenn man sich mal die verschiedenen Religionen näher anschaut, die uns gegenwärtig vorgehalten werden, kommt man zu einer erstaunlichen Entdeckung: Jesus fasziniert sie alle! In jeder von ihnen wurde er in ihr religiöses System integriert – und das stets an einer sehr bedeutsamen Stelle. Das macht Jesus in der Tat einzigartig, weil universell. Kein anderer Religionsstifter kann das von sich behaupten. Wir finden weder Buddha, noch Mohammed, noch sonst jemanden in anderen Religionen wieder – Jesus schon. Wie ist Jesus aber in den anderen Glaubenssystemen verankert:

  • Für viele gläubige Hindus ist Jesus einer der zehn körperlichen Manifestationen Vishnus.
  • Viele Buddhisten – darunter auch der aktuelle Dalai Lama – sehen Jesus als Bodhisattva an, ein Erleuchtungswesen, das nach allerhöchster Erkenntnis und „Buddhaschaft“ strebt.
  • Für Muslime ist Jesus ein großer Prophet, der (sogar im Gegensatz zu Mohammed) von einer Jungfrau geboren wurde und Wunder vollbracht hat.
  • Und auch in vielen anderen Religionen (Baha‘i, Deisten, Zeugen Jehovas, Mormonen, Sikhs, New-Age-Bewegung, Unitarier, Jains, Religious-Science-Bewegung usw.) kommt Jesus eine bedeutsame Rolle zu.

Jesus fasziniert sie also wirklich alle. Warum aber? Warum ist es so, dass wir Jesus, die zentrale Figur des christlichen Glaubens, in so gut wie allen anderen Glaubensrichtungen wiederfinden? Was begeistert die anderen so an ihm? Ich denke, diese Faszination selbst nicht-christlicher Weltsichten sollte uns aufhorchen und fragen lassen: „Wer ist dieser Mensch? Wer ist dieser Jesus, von dem irgendwie alle sprechen?“ Wie gesagt: Die Lebensbeschreibungen Jesu, die vier Evangelien also, gelten in der einschlägigen Forschung als durchweg historisch zuverlässig. Mein Vorschlag zur Güte daher: Lesen Sie doch einmal selbst nach – und wenn Sie mit manchen Passagen so ihre Schwierigkeiten haben, ist das auch vollkommen in Ordnung. Sie müssen ja nicht alles gleich für bare Münzen nehmen, das verlangt auch niemand.

Das waren einmal drei rationale Gründe, warum es durchaus Sinn ergibt, seine Suche nach Antworten zumindest mal bei christlichen Glauben zu beginnen. (Oder ihn zumindest nicht unberücksichtigt zu lassen) Und falls Sie noch Fragen, Anmerkungen oder Kritik haben, dann schreiben Sie gerne einen Kommentar und/oder eine E-Mail.