Ist es nicht ungerecht, wenn Jesus die Konsequenzen unseres Fehlverhaltens trägt? Er hat doch gar nichts getan, sondern wir. Aber er wird bestraft? Wo ist das denn gerecht?

Danke für diese wirklich sehr gute Frage: Ist es nicht ungerecht, wenn Jesus für etwas zur Rechenschaft gezogen wird, was er gar nicht selbst getan hat? Um eine Antwort auf die Frage zu bekommen, müssen wir uns zunächst einmal klarmachen, dass Gott mit Jesus nicht irgendeinen Menschen für unsere Schuld büßen lässt – sondern sich selbst, in Jesus. Christen glauben ja, dass Gott in Jesus selbst Mensch wurde, folglich ist es Gott selbst, der für unsere Schuld büßt.

Weiterhin ist wichtig zu sehen, wer in dieser Konstellation zwischen Gott und Mensch (oder konkret: zwischen Gott und Stephan Lange) Gerechtigkeit einfordert. Es ist natürlich Gott. Und seine Gerechtigkeit fordert, dass Fehlverhalten Konsequenzen haben muss. Es wäre ungerecht, wenn Gott eine andere Person außerhalb dieser Konstellation zur Rechenschaft zieht – also weder mich, noch sich selbst, sondern eine unbeteiligte dritte Person.

Der Gerechtigkeit wird aber Genüge getan, wenn Gott als Anklagender entscheidet, dass nicht ich als Angeklagter die Schuld tragen muss, sondern er als Angeklagender selbst. Schließlich ist es Gott, der Gerechtigkeit fordert – folglich kann er also auch festlegen, wie das konkret aussehen soll. Nur eines geht eben nicht: Dass Schuld konsequenzlos bleibt.

Vielleicht kennen Sie ja die folgende Geschichte, die uns das eben Gesagte etwas bildhafter vor Augen führen kann. Und wie jede gute Geschichte, fängt natürlich auch diese mit den klassischen Worten an:

Es waren einmal zwei Freunde. Nennen wir sie mal Björn und Benjamin. Während ihrer Kindheit und Jugendzeit waren sie unzertrennlich. Nach Beendigung ihrer Schulzeit verloren sie sich jedoch aus den Augen. Aber eines Tages, nach vielen Jahren, treffen sie sich wieder. Der Ort des Treffens war kein angenehmer, nämlich ein Gerichtssaal. Björn ist der Angeklagte, Benjamin der Richter.

Björn als Angeklagter freut sich, seinen alten Jugendfreund nach all den Jahren wieder zu treffen und  hofft aufgrund der gemeinsamen Vergangenheit auf ein mildes Urteil. Allerdings sieht er im Gesicht von Benjamin kein Anzeichen dafür. Der behandelt ihn während des Verfahrens nicht wie einen Freund, sondern wie jeden anderen Angeklagten. Als Björn das harte Urteil hört, ist er frustriert und verärgert. Er weiß nicht, wie er diese hohe Strafe bezahlen soll.

Als er wütend den Gerichtssaal verlassen will, hört er die Stimme des Freundes, die ihn bittet zu warten. Die Stimme von Benjamin klingt freundlich und hat nichts mehr von der Strenge, die die Stimme des Richters hatte. Björn merkt: „Jetzt spricht nicht mehr der Richter zu mir, sondern mein Freund.“ Deshalb bleibt er stehen. Und dann geschieht für ihn etwas Unerwartetes, etwas sehr Erfreuliches. Benjamin bietet Björn an, die Strafe für ihn zu bezahlen.

Wie jedes beispielhafte Bild hat natürlich auch dieses hier seine Grenzen, aber es zeigt im Rahmen seiner Möglichkeiten ganz gut, wie Gott mit uns umgeht. Gott hat als Richter den Entschluss gefasst, die Strafe selbst zu bezahlen. Jesus (also Gott selbst) hat stellvertretend für uns die Strafe auf sich genommen. Somit kann Gott dem Sünder gnädig sein, wenn dieser Gottes Angebot der Vergebung in Anspruch nimmt; denn Jesus hat ja bereits für die gerechte Strafe mit seinem Blut bezahlt.

Warum handelt Gott aber so? Warum entscheidet er sich dafür, dass er selbst die Strafe zahlt und belässt sie nicht bei uns? Das Wort, das hierbei eine ganz zentrale Rolle heißt „Gnade“. Wie gesagt: Gott ist natürlich gerecht. Er verpflichtet sich sozusagen selbst, Fehlverhalten zu bestrafen. Damit ist er aber nicht darauf festgelegt, wer die Strafe zu zahlen hat. Gott hat die Wahl – entweder trägt der Angeklagte die Konsequenzen oder der Anklagende.

Und genau weil nicht nur gerecht, sondern auch gnädig ist (er liebt also jeden Menschen ohne Wenn und Aber), entscheidet er sich dafür, selbst die Strafe auf sich zu nehmen. Nicht aber, weil wir so gut wären, sondern wer Gott nicht will, dass nur ein Mensch verloren geht. Wir lesen genau deshalb:

Denn Gott hat der Welt seine Liebe dadurch gezeigt, dass er Jesus, seinen einzigen Sohn für sie hergab, damit jeder, der an ihn glaubt, das ewige Leben hat und nicht verloren geht. (Joh. 3,16)