Mein Argument gegen Gott steckt in Antony Flews berühmter „Gärtner-Parabel“.

Danke für diesen Einwand. Da Flews Parabel vielleicht nicht jeder griffbereit im Handgebäck hat, greife ich sie zunächst kurz auf: Im Jahr 1968 veröffentlichte Antony Flew (einer der größten und einflussreichsten Atheisten des 20. Jahrhunderts)  sein Thesenpapier „Theology and Falsification“, das als eine der am meisten abgedruckten philosophischen Veröffentlichung der letzten Jahrhunderthälfte gilt. Sie beginnt mit Flews „Gärtner-Parabel“:

Es waren mal zwei Forscher, die stießen auf eine Lichtung im Dschungel, in der unter vielem Unkraut allerlei Blumen wuchsen. Da sagt der eine: “Ein Gärtner muss dieses Stück Land pflegen.” Der andere widerspricht: “Es gibt hier keinen Gärtner.” Sie schlagen daher ihre Zelte auf und stellen eine Wache aus. Kein Gärtner lässt sich jemals blicken. “Vielleicht ist es ein unsichtbarer Gärtner.” Darauf ziehen sie einen Stacheldrahtzaun, setzen ihn unter Strom und patrouillieren mit Bluthunden. Keine Schreie aber lassen je vermuten, dass ein Eindringling einen Schlag bekommen hätte. Keine Bewegung des Zauns verrät je einen unsichtbaren Kletterer. Die Bluthunde schlagen nie an.

Doch der Gläubige ist immer noch nicht überzeugt: „Aber es gibt doch einen Gärtner, unsichtbar, unkörperlich und unempfindlich gegen elektrische Schläge, einen Gärtner, der nicht gewittert und nicht gehört werden kann, einen Gärtner, der heimlich kommt, um sich um seinen geliebten Garten zu kümmern.” Schließlich geht dem Skeptiker die Geduld aus: “Was bleibt eigentlich von deiner ursprünglichen Behauptung noch übrig? Wie unterscheidet sich denn das, was du einen unsichtbaren, unkörperlichen, ewig unfassbaren Gärtner nennst, von einem imaginären Gärtner oder von überhaupt keinem Gärtner?”

Zunächst einmal müssen wir feststellen: Flews skeptischer Forscher hat Recht. Es reicht einfach nicht aus, dass es keine logisch stichhaltigen Argument gegen Gott(es Existenz) gibt – vor allem dann nicht, wenn es vor allem Belege gegen Gottes Präsenz in der Welt gibt (z.B. das Leid in der Welt). Es reicht eben nicht aus, wenn der eine Forscher seinen Glauben unwiderlegbar macht. Das teilt er zum einen mit allen sektiererischen Positionen, es verurteilt ihn zum anderen aber auch zur Sinn- und Funktionslosigkeit. Flews Nachfolger, Richard Dawkins, bemühte einige Jahre danach völlig zu Recht das berühmte „Teekannen-Beispiel“: Man kann nicht widerlegen, dass kleine – für uns unsichtbare – Teekannen im Weltraum kreisen, aber warum sollten wir es auch widerlegen?

Es ist, wie Flew seinen kritischen Forscher sagen lässt, einfach nicht wichtig und es verändert auch nichts, egal, ob wir das beweisen können oder nicht. Gleiches gilt ja für die Theorie des „Fliegenden Spaghettimonsters“; auch diese Annahme ist unbeweisbar – mit Flew gesprochen: Da man weder fliegende Teekannen oder Spaghettimonster noch Gott beweisen kann, ist es unrelevant, ob es sie gibt. Und natürlich führt Unwiderlegbarkeit nicht zu Interesse oder Relevanz, ganz im Gegenteil: Gerade die Unwiderlegbarkeit ist aus Sicht kritischer Rationalität kein Vorzug, sondern Ausweis von Bedeutungslosigkeit. Denn nicht widerlegt werden kann letztlich nur das, das ohne greifbare Substanz ist.

Die alles entscheidende Frage lautet aber: Sind die Hinweise und Belege für Gott wirklich so haltlos, wie Flew sagt? Ironischerweise ist es Flew selbst, ganze 36 Jahre nach der Niederschrift seiner Gärtner-Parabel, der uns eine Antwort auf diese Frage gibt. Im Jahr 2004 hörte die Welt ihn sagen:

Ich glaube [mittlerweile], dass die beeindruckendsten Argumente für Gottes Existenz diejenigen sind, die durch die jüngsten wissenschaftlichen Entdeckungen gestützt werden.

Eine Stellungnahme, die alles andere als erwartbar war. Denn wenn jemand nicht das geringste Interesse daran hatte, Argumente für Gottes Existenz vorzubringen, dann war es Antony Flew.

Warum diese Kehrtwende? Nun, Flew war zwar ein höchst verbissener, nie aber ein verschlossener Atheist. Er ließ nie locker und verfolgte die Argumente, wohin sie ihn auch führten – selbst dorthin, wo es unbequem für seine persönliche Denkweise und Weltsicht wurde. Dass es einen Gott gebe, der das Universum erschaffen hat, sei für ihn letztlich eine Frage der empirischen Hinweise, aus denen man philosophische Schlüsse ziehen könne. Zwei Faktoren seien für ihn entscheidend gewesen, mit dem Atheismus zu brechen:

„Der eine war mein wachsendes Verständnis für die Ansichten Albert Einsteins und anderer wichtiger Wissenschaftler, dass es eine Intelligenz hinter all der Komplexität des physischen Universums geben müsse. Der zweite Faktor war meine eigene Erkenntnis, dass die Komplexität selbst – die viel komplexer ist als das physische Universum – nur erklärt werden kann, wenn man eine intelligente Quelle annimmt. Auch die DNS zeigt eine nahezu unglaubliche Komplexität. Dahinter kann nur eine Intelligenz stecken.“

Die Neubesinnung Flews sorgte für großes Aufsehen in der Fachwelt. In einem seiner letzten schriftlichen Beiträge äußerte sich Flew kritisch zum Buch “Der Gotteswahn” von Richard Dawkins, seinem einstigen Mitstreiter:

„Der Fehler, den Dawkins als Akademiker gemacht hat, war seine skandalöse und offensichtlich absichtliche Weigerung die Lehre darzulegen, die er glaubt unwiderruflich widerlegt zu haben. Wir finden zum Beispiel in seinem Stichwortverzeichnis vier Verweise auf Einstein. Sie kommen im Gewande Einsteins daher und befassen sich damit, was er über Moral, einen persönlichen Gott und die Situation der Menschheit denkt und über seine Ansicht, dass der Mensch für andere Menschen und vor allem für die da ist, von deren Wohlergehen unsere Lebensfreude abhängt.

Aber (und es fällt mir schwer, moderat über diese verdunkelnde Weigerung Dawkins´ zu schreiben) er erwähnt Einsteins wichtigste Folgerung überhaupt nicht: nämlich, dass die integrale Komplexität der Welt der Physik ihn davon überzeugt hat, dass hinter den Dingen eine göttliche Intelligenz stehen muss. Wenn dieses Argument auf die Welt der Physik angewendet werden kann, finde ich persönlich es offensichtlich, dass es noch viel bedeutsamer sein muss, wenn man es auf die unermesslich kompliziertere Welt der Biologie anwendet.“

Flew, der einst sagte, dass es keine hinreichenden Belege für die Existenz Gottes gebe, fand das, was er nie für möglich gehalten hatte. Er änderte seine Meinung radikal, als er mit Gründen für die Gottes Existenz konfrontiert wurde, die selbst ihn aufhorchen ließen und letztendlich auch überzeugten. Damit ist es folglich kein geringerer als Flew selber, der seine eigene Parabel vom Gärtner relativiert. Recht selbstkritisch sagte er in diesem Zusammenhang:

„Da Menschen sicherlich von mir beeinflusst wurden, will ich versuchen, den enormen Schaden, den ich möglicherweise angerichtet habe, zu korrigieren.”

Der Fairness halber muss freilich gesagt werden, dass Flew sich nicht zu einer konkreten Religion zählte, sondern als Deist die Existenz eines Gottes annahm. Aber auch das ist ja – gerade für den über Jahrzehnte lang weg prominentesten und einflussreichsten Atheisten weltweit – eine bemerkenswerte Entscheidung.

Und hätte Flew seine Parabel nicht selbst ad acta gelegt, wäre gerade aus christlicher Perspektive ohnehin Einspruch gegen die These zu erheben, dass wir es bei Gott mit einen „unsichtbaren, unkörperlichen und ewig unfassbaren Gärtner“ zu tun haben. Christen sagen ja genau das Gegenteil: Gott hat sich uns offenbart und wurde Mensch – in der Person Jesu.

Genau aus diesem Grund ist Jesus so etwas wie die erkenntnistheortische Grundlage, warum Christen sich überhaupt erdreisten, eine Erklärung über Gott abgeben zu können. Sie sagen, dass sich Gott uns zu einem ganz konkreten Zeitpunkt in der Geschichte gezeigt hat, wie er ist und dass er (sinngemäß) gesagt hat:

Ihr wollt wissen, wie ich bin und wer ich bin? Schaut auf diesen Jesus, diesen Wanderprediger in Israel des ersten Jahrhunderts eurer Zeitrechnung – so bin ich. Wenn ihr wissen wollt, was ich über euch Menschen denke, schaut euch an, was Jesus tut und sagt. Wenn ihr wissen wollt wie ich mit euch Menschen umgehe, schaut euch an, wie Jesus mit Menschen umgeht.

Somit finden auch denjenigen unter uns, die – aus nachvollziehbaren Gründen – nach handfesteren Belegen für die Existenz Gottes verlangen als subjektive Erfahrungen, einen Ansatzpunkt, die steile christliche These überprüfen können.

Der christliche Glaube entscheidet sich schließlich an der Glaubwürdigkeit der Person Jesu: Stimmt es, was er von sich behauptet (nämlich Gott selbst zu sein) oder haben wir es bei Jesus mit einem Lügner oder gar Geisteskranken zu tun? Und wer sich dieser Frage intensiver widmen will, dem sei dieser Blogtext ans Herz gelegt.