31. Argument: Es gibt ja bekanntlich eine Menge an verschiedenen Religionen, Ideologien, Philosophien mit ihren mehr oder weniger überzeugenden Argumenten. Angenommen nun das Christentum sagt sie Wahrheit, so sind oben genannten Sachen trotzdem in der Lage die Wahrheit sehr zu vernebeln. Nun das Argument: Gott ist ja gerecht und nicht zu beweisen. Wenn nun jemand aufgrund dieser Wahrheitsunschärfe ins hintertreffen gerät so läuft das zumindest gegen die Tatsache das Gott gerecht ist.

Danke für den Einwand. Es stimmt: Gott lässt sich nicht beweisen – aber heißt das, dass gerade Leute, die gerne ihren Verstand gebrauchen, keine wirkliche Chance haben herauszufinden, ob es ihn gibt? Wenn dem so ist, wäre Gott definitiv ungerecht. Sehr ungerecht sogar. Gerade als Christ glaube ich aber, dass Gott den Menschen geschaffen hat und damit auch seinen Verstand. Der hat also durchaus seinen Sinn und soll gebraucht werden. Was passiert nun, wenn man sich mit wachem Verstand der Frage nach Gott nähert?

Zunächst kommt man wohlmöglich zu der Erkenntnis, dass gerade weil wir Gott nicht beweisen können, wir darauf angewiesen sind, dass er sich uns mitteilt. Und hier stoßen wir auf einen zentralen Aspekt des christlichen Glauben, denn Christen sagen: Gott hat sich mitgeteilt. Nicht in einer Ideologe oder Institution und übrigens auch nicht primär in einem Buch – sondern in erster Linie in einer Person: der Person Jesus Christus. In Jesus begegnet uns Gott. Für Christen ist Jesus daher so etwas wie die erkenntnistheoretische Grundlage ihres Glaubens. Und es ist nur erwünscht, sich der Person Jesu mit voll eingeschaltetem Verstand zu nähern.

Wie lässt sich z.B. zum historischen Jesus alles sagen? Nach der Lektüre der einschlägigen historischen Forschung merkt man: eine ganze Menge. Zunächst stellen wir fest, dass heutzutage kein ernsthafter Historiker die Existenz der Person Jesu leugnet. Eher zeigt der aktuelle Stand der historischen Leben-Jesu-Forschung in ihrer “third quest”-Bewegung:

Historische Jesusforschung kann den christlichen Glauben niemals begründen oder gar seine Richtigkeit beweisen. Sie kann jedoch zeigen, dass dieser Glaube auf dem Wirken und Geschick einer Person gründet, die sich, wenn auch nicht in jedem Detail, so doch in wichtigen Facetten auch heute noch nachzeichnen lassen. Damit leistet sie für die Verantwortung des christlichen Glaubens in der modernen Welt einen substantiellen Beitrag. (Schröter 2010, Jesus von Nazaret, S. 34).

Das ist natürlich nur ein stark verkürzter Einblick in das große Feld der historischen Jesusforschung, aber schon der kann darauf hinweisen: Die Überlieferungen dieses Wanderpredigers aus dem 1. Jahrhundert stehen auf historisch ziemlich stabilen Beinen. Da hat die Mehrheit der gläubigen, aber auch nicht-gläubigen Forscher Konsens.

Was bedeutet das für den eigentlichen Einwand? Gott wäre in der Tat sehr ungerecht, wenn er es jemanden, der seinen Verstand eingeschaltet lassen möchte, nicht ermöglicht, etwas von ihm zu erfahren. Meine Behauptung ist aber: Gott gibt uns diese Möglichkeit – in Jesus. Natürlich könnte man jetzt in den nächsten Buchladen gehen und sich die gängige Anti-Jesus-Literatur zulegen oder auf den einschlägigen Atheistenseiten im Internet rumsurfen, um dann sagen zu können:

„Ich habe es doch gewusst: Das ist in Wahrheit doch alles Unsinn.“

Das könnte man natürlich tun, man muss sich dann nur den Vorwurf gefallen lassen, den aktuellen Stand der Geschichtsforschung komplett außer Acht zu lassen, der genau das Gegenteil behauptet (vgl zB. N.T Wright 2013, Theißen/Merz 2011, Schröter 2010 etc.) Überdies wäre es kein offener Forschungsansatz, wenn ich nur die Literatur heranziehe, die meiner Meinung ohnehin schon entspricht. Ob man dann aber noch von einem „gottverschuldeten ins Hintertreffen geraten sein“ sprechen darf, erscheint mir zweifelhaft.