Gott als Allmächtiges Wesen und Schöpfer von Allem – braucht es überhaupt eines Glauben an oder auch gegen ihn? Wenn es ihn gibt ist es doch völlig irrelevant ob jemand an ihn glaubt oder nicht. Was interessiert ihn, was Wesen auf einem Staubkorn inmitten des irrsinnig großen Universums sich über ihre eigene Existenz zusammenspinnen?

Gut und Böse existieren doch nur in den Beziehungen zwischen den Menschen, bzw. was Menschen aus Habgier oder Machtgründen an ihrer Umwelt anstellen! Selbst der grausame Mord an Jesus Christus geschah doch aus Machtkalkül – was dann die Autoren der Bibel daraus als Glaubensgrundsatz machten – naja das soll jeder für sich entscheiden. Ich habe so meine Zweifel daran, dies ist auch der Grund warum ich kein Anhänger dieses antik mittelalterlichen Weltbildes bin.

Danke für Ihre gute Fragen. Die darf man auch haben und stellen, wie ich finde. Es ist ja auch ein gängiges Gottesbild, das Sie da beschreiben: Gott ist ein Gott der Ferne, der ganz weit weg ist.

Vielleicht hat er irgendwann mal die Erde geschaffen, aber damit hat sich sein Engagement für die Welt auch schon. Es ist ein Gott “hinter’m Sternenzelt”, dieses eine höhere Wesen, das es ja irgendwie geben muss, das auch mal romantische Gefühle auslöst, wenn man einen atemberaubenden Sonnenaufgang erlebt hat, das aber eigentlich keinerlei Interesse an uns hat und was auch deshalb keinerlei Auswirkung auf mein alltägliches Leben hat. Und ich habe wirklich vollstes Verständnis dafür, wenn man sagt:

“Bei so einem fernen Gott, was spielt es da für mich eine Rolle, ob es ihn gibt oder nicht? Warum sollte ich mich für so einen interessieren, wenn er sich doch auch nicht für mich interessiert?”

Ich stimme da vollkommen zu: Ein ferner Gott ist total unspannend. Eine ganz entscheidene Frage ist dabei nur:

Was ist, wenn Gott ganz anders ist, als Sie bisher erfahren oder gedacht haben?

Wenn ich als Christ von Gott rede, dann meine ich, dass dieser Gott persönlich ist. Gott ist kein Es, sondern ein Jemand, der ansprechbar ist, Absichten hat, sogar Gefühle und Sehnsüchte. Der Gott, an den wir Christen glauben, den kann sogar etwas fehlen, nämlich der Kontakt zu den Menschen, der er geschaffen hat. Dann hat er keine Lust, stiller Verwalter des Universums zu sein, sondern er sagt sich: “Dieser eine Mensch fehlt mir – und solange ich nicht wieder in Kontakt mi ihm komme, solange suche ich nach ihm.”Jesus drückt das an einer Stelle für viele verblüffend aus, wenn er sagt:

“Wisst ihr was? Gott ist wie eine Frau.”

“Was?!”, sagen die Leute. “Ja”, sagt Jesus, “Gott ist wie eine Frau, die zehn silberne Münzen besitzt. Und diese Münzen sind ihr ein und alles.” Ich stelle mir diese Frau so vor: Eines Morgens steht sie auf und geht sie zu ihrer kleinen Kommode, in der sie in der obersten Schublade ihre zehn geliebten Silbermünzen drin liegen hat. Und die zählt sie jeder Morgen voller Lust und Freude durch, weil ihr so viel an ihnen liegt (vielleicht kommt sie aus Schottland?). Und sie zählt: “Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun, zehn.” Wunderbar, alle noch da. Sie legt die Münzen wieder zurück, macht die Schublade zu und beginnt zufrieden ihr Hausarbeit.

Abends kommt sie wieder zurück, geht in das Zimmer, in dem die Kommode die mit den Münzen steht, öffnet wieder die Schublade und beginnt zu zählen. “Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun, …” “Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun…” Oh nein! Eine fehlt, wo ist sie hin, heute morgen waren sie alle noch da. Sie schaut unter den Teppich, hinter die Komodo, rückt Mübel von der Wand, schiebt die Tische zur Seite und sucht und sucht und sucht. Und irgendwann, da hat sie diese eine fehlende Münze wiedergefunden.

Und was tut eine Frau in solch einem Fall, wenn sie etwas findet, dass sie schon lange gesucht? Logisch: Sie rennt zu ihren Freundinnen und Nachbarinnen und erzählt es allen. Sie sagt: “Meine Münze, mein Erbstück, mein Schatz, den ich so vermisst habe, endlich ist sie wieder da. Kommt, feiert mit mir!”Das mag sich für Sie nun möglicherweise ungewohnt anhören, aber genauso glauben Christen, ist Gott: Er sucht nach jeden einzelnen Menschen.Wenn ihm auch nur der Kontakt zu einem einzigen Menschen abhanden gekommen ist, sich ein Mensch von ihm entfremdet, sich von ihm abwendet oder angefangen hat, ihm zu misstrauen, dann lässt das Gott keine Ruhe. Und er läuft dem Menschen nach, sucht ihn, bis er ihn gefunden hat. Weil er jedem einzelnen mit seiner Liebe begegnen will und jeden einzelnen Menschen unendlich wertvoll findet.

Aber auch noch etwas zu Ihrem Punkt, dass die Kreuzigung Jesu von den Autoren des Neuen Testaments „religiös ausgeschlachtet“ wurde. Ich verstehe Sie gerade so, dass Sie sagen wollen:

Die Römer haben Jesus hingerichtet und seine Jünger haben diese Hinrichtung genutzt, um darauf einen (Auferstehungs-)Glauben aufzubauen, der in Wahrheit aber frei erfunden und gelogen ist. Ihr Grund: Habgier und Macht.

Wenn ich Sie nun richtig verstanden habe, wäre meine Frage allerdings: Wenn die Jünger das getan hätten, wussten sie ja auch genau, dass Jesus nicht von den Toten auferstanden und der christliche Glaube somit erlogen ist. Aber wenn sie sich darüber im Klaren waren, warum taten sie in der Folgezeit dann das, was sie taten? Was nämlich?

Nun, sie widmeten ihr ganzes Leben der Aufgabe, so vielen Menschen wie möglich die Nachricht zu überbringen, dass Jesus von den Toten auferstanden ist und er wirklich der ist, der er vorgab zu sein – also Gott selbst. Mit dieser Botschaft zeigten sie also nicht auf sich, sondern weg von sich – hin zu Jesus. Und dafür nahmen sie viel auf sich: Sie gründeten unzählige Gemeinden, legten Hunderte von Kilometern auf dem Fußweg zurück, nahmen Folterung in Kauf und starben letztlich fast alle den Märtyrertod für eine Botschaft, die ihnen persönlich rein gar nichts brachte. Im Gegenteil.

Es ist alles andere als überzeugend, dass Menschen für eine selbst erfundene Lüge all dies taten bzw. über  sich ergehen ließen. Warum gibt man freiwillig sein Leben für eine Botschaft hin, von dem man zu 100%  weiß, dass es sich um eine selbst erfundene Lüge handelt, die im Jenseits mit Folter und Tod und im Jenseits sogar mit der Hölle bestraft wird?

Habgier und Machtkalkül kann man den Autoren des Neuen Testaments daher schlecht vorwerfen. Wir lesen von Ihnen vielmehr Sätze wie:

Auf Habgier sollt ihr euch nicht einmal mit Worten einlassen, denn es gehört sich nicht für Gottes heiliges Volk, sich mit solchen Dingen zu beschäftigen. (Eph. 5,3)

Tötet daher, was in den verschiedenen Bereichen eures Lebens noch zu dieser Welt gehört: sexuelle Unmoral, Schamlosigkeit, ungezügelte Leidenschaft, böses Verlangen und die Habgier (Habgier ist nichts anderes als Götzendienst). (Kol 3,5)

Ja, ich bin der unwürdigste von allen Aposteln. Eigentlich verdiene ich es überhaupt nicht, ein Apostel zu sein, denn ich habe die Gemeinde Gottes verfolgt. (1Kor. 15,9)

Sie sehen: Hier begegnet uns das Gegenteil von habgierischen und hochmütigen Gedanken. Genügsamkeit und Demut waren eher die Dinge, die die Autoren des Neuen Testamentes hochhielten.

Aber vielleicht habe ich Sie auch nicht richtig verstanden, das kann ja  sein. Wie begründen Sie es ansonsten, dass Habgier und Machtstreben die Triebfedern der neutestamentlichen Autoren gewesen sein sollen. Vermuten Sie das bloß oder liegen Ihnen hierfür konkrete Gründe vor?