In Ihrem Artikel „Leid – Ein Argument gegen Gott“ gehen Sie auf das menschliche Leid ein. Ihre Antwort mit dem freien Willen ist gut. Ich frage mich aber, warum leidet den ein Nerz? Hatte er die freie Wahl bei lebendigem Leib enthäutet zu werden. Auch wenn der Mensch diese grausame Tat vollzieht, so fällt es mir schwer ihn zu loben, wenn er dies zulässt. Ich könnte jeden Tag weinen wegen den Tieren. Warum sieht Gott das nicht?

Danke erst einmal für die gute Frage. Ich würde Ihnen zustimmen: Natürlich hatte der Nerz (der hier einmal exemplarisch für alle gequälten Tiere steht) keine freie Wahl, bei lebendigem Leibe gehäutet zu werden. Und ja: Es ist der Mensch, der diese grausame Tat vollzieht. Ich kann auch gut nachvollziehen, dass es vor diesem Hintergrund schwer fällt, Gott zu ehren und zu loben.

Meine Antwort ginge nun in die folgende Richtung: Ich bin davon überzeugt, dass Gott das Leid jedes seiner Geschöpfe (gleich ob Mensch oder Tier) sogar weitaus näher geht, als es Ihnen oder mir möglich ist. Wir sind maximal „Besitzer“ eines Tieres, Gott ist viel mehr als das – von daher ist auch sein Schmerz weitaus größer als der unsrige.

Vor diesem Hintergrund drängt sich Ihre Frage sogar noch stärker auf: „Warum lässt Gott es zu, dass der Mensch solch grausame Taten vollzieht?“ Dieser Einwand fordert also, dass Gott sich doch bitte einmischen möge – ich finde das vollkommen berechtigt und nachvollziehbar. Wo die Problematik aber liegt, sehen wir, wenn das Spiel einmal durchspielen:

Was wäre, wenn Gott sich bei allen Dingen, die Unrecht sind, zu erkennen gibt und dem Unrecht ein Ende bereitet? Was wäre also, wenn Gott eingreift, wenn ein Tier (zu Tode) gequält wird? Oder: Was wäre, wenn sich Gott zu erkennen gäbe, wenn ein Krieg auszubrechen droht? Sicherlich, die Quälerei oder der Krieg wäre sofort beendet, bevor sie bzw. er überhaupt begonnen hätte. Aber eine andere Konsequenz wäre auch, dass der Mensch nicht mehr wirklich frei wäre.

Denn wer käme überhaupt noch auf die Idee, etwas Schlechtes anzuzetteln, wenn er wusste, dass Gott sofort einschreitet und ihn verhindert? Niemand. „Naja“, sagen manche. „Das würde ich um des Frieden Willens sogar in Kauf nehmen.“ Das wäre zwar eine noble Haltung, aber: Gottes Vorstellungen von „gut“ und „falsch“ sind ja nicht deckungsgleich mit unseren jeweiligen Vorstellungen.

Der Gott, an den Christen glauben, würde nicht nur jedes Mal bei Tierquälereien oder Kriegen einschreiten, sondern auch immer bei Dingen wie Lügen, Unzucht, Habgier, Hinterlist, Verleumdung usw. Wer würde noch lügen, wenn er weiß: „Wenn ich lüge, wird Gott mich meine Lüge gar nicht erst aussprechen lassen.“ (vlt. kennen Sie ja den Film „Der Dummschwätzer“ mit Jim Carrey) Oder: „Gott wird sich sofort erkennbar machen und jeden darauf hinweisen, dass ich gelogen habe.“

Wer würde noch seine Steuererklärung fälschen, wenn er weiß, dass das gar nicht geht. Weil jedes Mal, wenn ich es versuche, Gott meinen PC abstürzen lässt. Die Beispiele lassen sich beliebig fortführen. Und hier merken wir: Wer es wirklich ernst mit der menschlichen Willensfreiheit meint, muss es auch zulassen, dass etwas Böses (wie z.B. Tierquälerei) getan werden kann.

Und genau das ist eine der ersten Auskünfte der Bibel: Gott meint es sehr ernst damit. Genau deshalb hat er dem Menschen die Entscheidungs- und Willensfreit gegeben. Weil er sich nichts Sehnlicheres wünscht als eine reale Beziehung zu seinen Geschöpfen. Und so eine Beziehung kann nur dann real und echt, wenn der Mensch wirklich frei in seiner Entscheidung ist, diese Beziehung einzugehen. Alles andere wäre eine Art „Zwangsgemeinschaft“, die alles andere als „im Sinne des Erfinders“ wäre.

Würde sich Gott also jedes Mal zu erkennen geben, wenn in seinen Augen Unrecht geschieht (wir würden vermutlich keine Stunde ohne Gottes Eingreifen sein), hätten wir keine wirkliche Freiheit mehr, uns für oder gegen Dinge zu entscheiden – weder gegen Lüge, Hinterlist, Missgunst usw. und auch nicht gegen Gott selbst. Denn es wäre natürlich furchtbar dumm, Gott abzulehnen, obwohl man genau weiß, dass es ihn gibt. Aber genau diese Motivation, diese erzwungene und daher unfreie Entscheidung, ist nicht vereinbar mit dem Gott, wie ihn die Bibel beschreibt.