Wenn Gott = Jesus ist und Jesus = Gott, warum diese Haarspalterei, dass man wie Jesus selbst sagt „NUR durch ihn zu Gott gelangt“. Genügt es nicht, wenn man nur an Gott glaubt? Hat Jahrhunderte zuvor auch genügt.

Danke für diese gute Frage. Denn Sie haben ja vollkommen Recht: Christen gehen in der Tat davon aus, dass wir es bei Jesus mit Gott in Menschengestalt zu tun haben. Die Formel würde also in der Tat lauten „Jesus = Gott“.

Ihr Einwand trägt allerdings ein Missverständnis in sich – aber ein zutiefst nachvollziehbares. Denn wir hören es ja wirklich aus dem Munde gläubiger Menschen: „Ja sicher, ich glaube an Gott.“ Das ist freilich etwas unglücklich ausgedrückt, gerade weil solch eine Aussage mehrdeutig ist und aus atheistischer Sichtweise natürlich so verstanden wird, als wenn da jemand von der irgendwie diffusen Existenz eines höheren Wesens ausgeht.

Als Christ möchte ich so aber gar nicht verstanden werden. Denn das Wort „glauben“ trägt im diesem Kontext eben nicht die Bedeutung „etwas annehmen/vermuten/schätzen“, sondern ist im Sinne von „jemanden vertrauen“ gemeint. Sätze wie „Michael, ich glaube an dich“ oder „Ich glaube an Michael“ verdeutlichen das ganz gut. Hier sagt jemand, dass er einer Person namens Michael vertraut, nicht aber, dass er von dessen Existenz ausgeht.

Das dieser Unterschied wichtig ist, erkennt man daran, wenn man sich anschaut, was Christsein eigentlich meint – nämlich eine vertrauensvolle Beziehung mit Gott. Das ist es, wofür wir erschaffen sind, sagen Christen. Aber genau an dieser Stelle liegt auch der Hase im Pfeffer. Warum? Folgendes Zitat zeigt es:

„Hört zu! Die Hand des Herrn ist nicht zu kurz, um euch zu helfen und er ist nicht taub, dass er euch nicht hören würde. Nein, eure Sünden sind eine Schranke, die euch von Gott trennt. Wegen eurer Sünden verbirgt er sein Antlitz vor euch und will euch nicht mehr hören. An euren Händen klebt Blut, an euren Fingern Sünde. Eure Lippen lügen, mit eurer Zunge zischt ihr boshafte Dinge.“ (Jes. 59,1ff.)

In diesen Sätzen steckt viel drin: Unser Verhältnis mit Gott ist zerrüttet, weil uns unsere Verfehlungen von Gott, der ja nicht nur allliebend, sondern auch vollkommen heilig und gerecht ist, wie eine Schranke von ihm trennen. Und in der Gegenwart eines gerechten und heiligen Gottes kann logischerweise eben nichts existieren, was irgendwie „ungerecht“ oder „unheilig“ ist. Hier setzt unser Problem an: Unser Verhalten – auch meines leider – ist bei ehrlicher Betrachtung des Öfteren mit solchen Adjektiven zu beschreiben.

„Moment“, denken Sie nun vielleicht, „ich schätzen Sie, Herr Lange, jetzt aber nicht so ein, dass sie in Ihrem Leben solch schwergewichte Verfehlungen wie Körperverletzung, Mord oder dergleichen verzapft haben.“ Da haben Sie natürlich Recht, mein bzw. das Problem ist aber das folgende:

Aus Sicht Gottes sind auch bereits solche Dinge wie Lügen, Lästern, Egoismus, Neid, Arroganz, Verurteilen usw. nicht akzeptable Taten. Und von diesen Dingen kann ich mich leider nicht freisprechen –  ich kenne auch keinen (Christen), der das von sich sagen könnte. Es ist eben ein Trugschluss zu denken, dass Christen bessere Menschen seien.

Wir halten also fest: a) Gott wünscht sich nichts Sehnlicheres, als mit jedem seiner Geschöpfe eine vertrauensvolle Beziehung zu haben. b) Dieser Wunsch kann jedoch nicht Realität werden, da wir Menschen uns mit unserem oftmals „unheiligen“ und „ungerechten“ Verhalten nicht in der Gegenwart eines vollkommen heiligen und gerechten Gott aufhalten können.

Wenn Sie an dieser Stelle „Gottes Dilemma“ erkennen, sehen Sie vollkommen richtig. Gottes absolute Liebe verlangt nach Beziehung, Versöhnung und Vergebung. Seine absolute Gerechtigkeit verlangt nach Bestrafung für Fehlverhalten. Christen sagen nun, dass Gott dieses Dilemma gelöst hat – in dem er selbst Mensch wurde, in Jesus. Und am Kreuz treffen sich die Liebe und die Gerechtigkeit Gottes.

Gerechtigkeit, weil das der Ort ist, auf den Gott die Sünden der ganzen Menschheit lenkt und Jesus die Konsequenzen trägt, die wir eigentlich zu tragen hätten. Liebe, weil in Jesus nicht irgendein Unschuldiger für die Konsequenzen unseres Fehlverhaltens stirbt, sondern Gott selbst – in Jesus. Vor diesem Kontext ist ja auch der wohl berühmteste Bibelvers zu verstehen:

„Denn Gott hat der Welt seine Liebe dadurch gezeigt, dass er seinen einzigen Sohn [= Jesus] für sie hergab, damit jeder, der an ihn glaubt [= ihm vertraut], das ewige Leben hat und nicht verloren geht.“ (Joh 3,16)

Gott sagt also „Ja“ zu uns, indem er uns in Jesus das Angebot macht, unsere Verfehlungen auf ihn zu werfen, damit die oben erwähnte „Schranke“ vergeht und der Weg zu einer vertrauensvollen Beziehung mit Gott passierbar ist. Dieses bedingungslose Angebot, dass uns Gott in Jesus macht, kann man folglich annehmen oder ablehnen. C.S. Lewis schreibt eben ganz richtig:

„Am Ende werden nur zwei Gruppen von Menschen vor Gott stehen – jene, die zu Gott sagen: »Dein Wille geschehe«, und jene, zu denen Gott sagt: »Dein Wille geschehe«. Alle, die in der Hölle sind, haben sie sich erwählt.“

In den Zeit vor Jesus, wenn Sie das meinten, war das freilich noch nicht so simpel: Beim Lesen des Alten Testamentes werden sie feststellen, dass dort das Einhalten des Gesetzes der Weg war, wie man vor Gott gerecht werden konnte. Seit Jesus ist dem nicht mehr so: Nicht mehr das Einhalten des Gesetzes, also das Tun oder Unterlassen bestimmter Taten, macht vor Gott gerecht, sondern allein die Inanspruchnahme des Angebotes, das er uns in Jesus macht.

Sie sehen: Die Haarspalterei zwischen Jesus und Gott, dem Vater, ist gar nicht so unwichtig, wie man landläufig denkt.