Der Gott der Juden, Christen und Moslems z.B. existiert ganz sicher nicht: Er wird als allmächtiger Weltenschöpfer beschrieben, der jeden einzelnen Menschen liebt und unendlich gütig ist. Wenn man sich nun aber in der Welt umschaut, ist von einer allgütigen Macht absolut nichts zu sehen. Auch der argumentative Notausgang “Gott respektiert den freien Willen!!” funktioniert bei näherer Betrachtung nicht: Allein in Deutschland erkranken jedes Jahr fast 2.000 Kinder an Krebs. In den betroffenen Familien entsteht unendliches, reales Leid, das sich weder wegdefinieren noch irgendwie auf den freien Willen der Beteiligten zurück führen lässt. Nein, wenn man unbedingt an einem allmächtigen Gott festhalten will, dann interessiert er sich keinen Deut für die Menschen.

Danke für diesen vollkommen berechtigten Einwand. Allerdings basiert ja gerade der christliche Glaube auf Aussagen, die die Co-Existenz von Gott und Leid sogar hervorheben. Wenn es also stimmt, was Christen glauben, ist es in keinster Weise verwunderlich, dass wir Leid auf auf der Welt sehen. Einer der grundlegenden Aussagen der christlichen Botschaft lautet ja, dass der eigentliche Sinn und Zweck unseres Lebens nicht ein glückliches und leidfreies Leben ist (so wünschenswert das auch sein mag), sondern in erster Linie die Kenntnis von Gott. C. S. Lewis, der berühmte irische Schriftsteller und Cambridge-Professor der Literatur, drückt das wie folgt aus:

Das Problem, menschliches Leiden mit der Existenz eines liebenden Gottes in Einklang zu bringen, ist nur solange unlösbar, als wir dem Wort «Liebe» eine triviale Bedeutung verbinden und die Welt so ansehen, als sei der Mensch ihr Mittelpunkt. Der Mensch ist nicht der Mittelpunkt. Gott existiert nicht um des Menschen willen.

Ein Grund, warum uns Leid oft so unvereinbar zur Existenz Gottes erscheint, ist die falsche Annahme, dass wenn Gott existiert, es doch gefälligst sein Ziel sein müsste, dass wir Menschen ein komfortables Leben im Hier und Jetzt führen. Gottes Aufgabe müsste es demnach also sein, seinen „menschlichen Haustieren“ eine angenehme Lebensumfeld zu bieten. Diese Gedanken sind aber zumindest nicht mit der christlichen Botschaft kompatibel: Hier wird nicht gesagt, dass der Mensch Gottes Haustier ist, und auch nicht, dass Glück der Sinn und Zweck unseres Lebens ist – sondern die Kenntnis von Gott, die letzten Endes zu wahrer und ewiger Lebensbefriedigung führt. Jesus drückt das an einer Stelle wie folgt aus:

Ich bin gekommen, damit sie [die Menschen] das Leben haben und es im Überfluß haben. … Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, den allein wahren Gott, und [mich,] den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Die christliche Botschaft sagt nicht, dass ein glückliches und zufriedenes Leben im Hier und Jetzt etwas schlechtes ist. Sie sagt nur, dass es im Leben aber in erster Linie nicht darum geht, sondern dass der Mensch etwas weitaus Besseres haben kann. Das erinnert zwangsläufig an einen der beühmtesten neutestamentlichen Verse überhaupt, der da heißt: „Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er Jesus, seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verlorengeht, sondern ewiges Leben hat.“ Wenn es also stimmt, was Christen glauben, endet unser Leben nicht im Grab, da ist ein Punkt, den die christliche Botschaft natürlich einberechnet und sinngemäß sagt:

„So gut und richtig ein glückliches, zufriedenes und leidfreies Leben im Hier und Jetzt auch ist, was nutzt es dem Menschen, wenn er ohne die Kenntnis von Gott bleibt, ohne die er ein glückliches, zufriedenes und leidfreies Leben in Ewigkeit verspielt.“

Darüber hinaus sollte es zumindest eine die Frage erlaubt sein, ob der Mensch wirklich so unschuldig an den Krankheiten, für die er auf den ersten Blick scheinbar nichts kann. Wer z.B. das Welthungerproblem und die dadurch verursachten Krankheiten auf Gott abwälzen und den Menschen schuldlos davonkommen lassen will, sollte sich dringend durch die einschlägige Fachliteratur korrigieren lassen. Oder kommen wir zu Ihrem Beispiel: Gerade in der Tumorbiologie wird heutzutage angenommen, dass Krebs eine moderne Krankheit ist, die insbesondere auf Umwelteinflüsse (Umweltverschmutzung, Ernährungsverhalten, Lebensstil etc.) zurück zu führen sei und noch vor 300 Jahren extrem selten war – mittlerweile aber zur zweithäufigsten Todesursache in Industrieländern aufgestiegen ist.

Der kanadische Anthropologe Vilhjámur Stefánsson beobachtete Anfang des 20. Jahrhunderts z.B., dass Eskimos nicht an Krebs erkrankten, solange sie sich traditionell ernährten. Sie gingen viel auf die Jagd, hielten sich an feste Tagesrhythmen, aßen Fleisch aus Robben, Karibus oder Fisch. Erst als sie Mitte des 20. Jahrhunderts auf kohlehydratreiche Industrienahrung umstiegen und etwas bequemer wurden, kam es bei ihnen zu Krebserkankungen und -toden.

Vor dem Hintergrund des Gesagten wäre ich zumindest vorsichtig, bei der Suche nach Ursachen für Dinge wie das Welthungerproblem oder meinetwegen auch Krebs den „Faktor Mensch“ außen vor zu lassen. Ich befürchte, dass wir insbesondere in den letzten Jahrhunderte stark dazu beigetragen haben, dass die Welt heute so ist, wie wir sie heute vorfinden. Gerade unsere moderne Industrie düft hier kein Kind von Traurigkeit sein; ich erinnere nur einmal an den „Weihnachtskalender-Skandal“ von 2012, wo „Stiftung Warentest“ Rück­stände von Mineral­ölen und ähnlichen Substanzen in der Schokolade von 24 Advents­kalendern für Kinder nachgewiesen hat; einige dieser Mineral­ölbestand­teile könnten krebs­er­regend sein, womit wir wieder beim Thema wären. Und wer davon ausgeht, dass dem Menschen von heute nur (krebserregende) Gefahr durch mineralölastige Weihnachtskalender droht, scheint sich über den Ernst der Lage nicht richtig bewusst zu sein.

Oder: Wie das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) erst vor Kurzem mitgeteilt hat, ist Tee ist möglicherweise doch nicht so gesund, wie gemeinhin angenommen wird. Im Rahmen eines Forschungsprojekts wurden vor allem in Kräutertees krebserregende Stoffe gefunden, wodurch unter Umständen „ein Risiko einer gesundheitlichen Gefährdung, insbesondere bei Kindern, Schwangeren und Stillenden, bestehen“. Und ob es auch wirklich Gott anzulasten ist, dass uns die moderne Industrie vornehmlich Produkte anbietet, bei denen viele Herstellungsstoffe im Verdacht stehen, krebserregend zu sein oder den Hormonhaushalt zu beeinflussen, und der Mensch seine Hände in Unschuld wachsen darf, erscheint auch mehr als fraglich.

Das Leid der Welt ist natürlich der stärkste Einwand gegen den christlichen Glauben, keine Frage. Aber es stellt andere Sichtweisen ja sogar noch vor viele größere Probleme. Jemand, der nicht an Gott glaubt, hat gar keine Basis für seinen Protest gegen das Böse und das Leiden. Was meine ich damit? Hierzu eine kurze Geschichte: Als junger Mann verabschiedete sich C.S. Lewis wegen des ganzen Leidens auf Welt vom Glauben – das Leben war einfach zu grausam, als ein allmächtiger und alliebender Gott existieren könnte. Bis Lewis entdeckte, dass das Leid für jemanden, der nicht an Gott glaubt, ein noch weitaus größeres Problem darstellt, er schreibt:

Mein Argument gegen die Existenz Gottes lautete, die Welt sei grausam und ungerecht. Woher aber hatte ich meine Vorstellung von gerecht und ungerecht? … Womit verglich ich diese Welt, wenn ich sie ungerecht nannte? … Natürlich hätte ich sagen können, meine Vorstellung von Gerechtigkeit sei lediglich meine eigene, private Idee, aber damit hätte ich sie praktisch aufgegeben. Dann wäre auch mein Argument gegen Gott in sich zusammengefallen, denn es beruhte ja darauf, dass die Welt tatsächlich ungerecht ist, und nicht nur darauf, dass sie nicht meinen Vorstellungen entspricht. … Damit aber erweist sich der Atheismus als zu einfach.

Sehen Sie, was Lewis da erkannt hat? Wir finden es natürlich absolut falsch und in gewisser Weise auch unfair, dass Menschen Leid ertragen müssen. Dass sie ermordet, ausgeschlossen oder unterdrückt werden und sogar verhungern. Aber wenn Gott nicht existiert, dann basiert unser Leben auf dem Prozess der natürlichen Auslese und Evolution – und hier sind solche Dinge wie Krankheit und Tod vollkommen natürliche Dinge.

Andere Religionen haben hingegen gar keinen Gott, der leidet.  Es sind ausschließlich Christen, die von einem Gott sprechen, der unser Leid und Elend so ernst nimmt, dass er bereit ist, es an sich selbst heranzulassen. Gott ist in Jesus selbst in die Welt gekommen, hat dort Ungerechtigkeit, Gewalt, Ablehnung erlitten und starb letztendlich einen für uns stellvertretenden Tod, damit jeder, die das damit verbundene Angebot der Vergebung in Anspruch nehmen will, dies tun kann. An diesem Punkt am Kreuz kommen der „theoretische“ und der „persönliche“ Aspekt zusammen. Was zeigt uns, dass Gott gute Gründe dafür hat, das Leiden und das Böse noch eine Zeit lang gewähren zu lassen? Das Kreuz. Auch Gott muss das Böse hassen, sonst wäre er nicht ans Kreuz gegangen. Wenn er das Böse aber so sehr hasst, muss er einen guten Grund dafür haben, die Geschichte der Menschheit noch weitergehen zu lassen.