Jeder von uns kennt wohl mindestens eine Situation, die man auf völlig verschiedene Weisen hören und verstehen kann. Ein klassisches Beispiel  ist das Ehepaar im Auto, das einer Ampel steht und wartet. Erste Variante: Der eine Partner sagt zum anderen : „Du Schatz, es ist grün“ und bekommt darauf die Antwort: „Oh danke, Schatz.“ Zweite Variante: Der Beifahrer sagt zum Fahrer: „Du Schatz, es ist grün“ und erhält zurück: „Fahr‘ ich oder fährst du?!“

Zwei vollkommen verschiedene Reaktionen auf dieselbe Sache. Ich würde viel darum geben, zu erfahren, welches Bild sie beispielsweise im Kopf haben, wenn Sie das Wort „Gott“ lesen. Daher ja auch der Titel dieses Beitrags, der fast so klingen mag, als könnte man sich Gott wie den Hauptgang beim Sonnagsbuffet selbst zusammenstellen. Frei nach dem Motto: So muss mein Teller bestückt sein, damit es mir auch schmeckt.Man kann dieses Wort aber zum Beispiel auch mit der Brille der klassischen Religionskritik lesen, in der die Ansicht vertreten wird:

„Gott ist ein Produkt von Menschen für Menschen – Gott ist eine Projektion.“

Etwas ausführlicher wird hier gesagt:

„Was Menschen Gott nennen, ist im Grunde nichts anderes als eine menschliche Projektion. Bei Gott handelt es sich folglich um eine Erfindung von Menschen, die mit diesem Leben nicht klarkommen. Menschen dieser Art projizieren Gott, malen ihn sozusagen an den Himmel. Viele Menschen brauchen solch einen Gott, der allmächtig und liebend ist, um mit ihrem Leben zurechtzukommen.“

Meiner Meinung nach, sagt diese Theorie der Gottes-Projektion allerdings nichts über die Wahrheitsfrage aus. Warum sollte es keinen Gott geben können, nur weil Menschen danach ein Bedürfnis haben? Es scheint mir eher so, dass diese Projektionstheorie von Vornherein ausschließt, dass es Gott geben könnte. Es wird also gesagt: „Eines ist klar, Gott gibt es nicht. Stellen wir einmal Überlegungen an, warum trotzdem so viele Menschen an Gott glauben.“ Wenn ich erklären kann, wie jemand zu einer Auffassung kommt, habe ich doch keine Aussage über den Wahrheitswert dieser Auffassung ausgesagt. Das ist mein persönlicher Grund, weshalb mir diese Projektionsthese nicht einleuchtend erscheint, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.

Oder andersherum: Warum sollte nicht gerade die Tatsache, dass ein Bedürfnis auf etwas vorliegt, kein Hinweis dafür sein, dass es dieses Etwas gibt? Ich bin etwa darauf angelegt, Nahrung zu brauchen – und es gibt Nahrung. Oder: Ich habe soziale Bedürfnisse, ich brauche Kontakt mit anderen Menschen – und es gibt andere Menschen. Normalerweise geben mir meine Bedürfnisse also Aufschluss über die Wirklichkeit, was sollte das bei der Gottesfrage auch einmal umgekehrt sein? Gerade weil ich religiöse Bedürfnisse haben, deshalb gibt es keinen Gott? Das wäre für mich nicht einsichtig.

Dennoch müssen Christen zugeben: Unser Bedürfnis nach Gott ist auch kein Beweis für Gott – das behauptet auch niemand ernsthaft (zumindest ich hier nicht). Es ist allenfalls ein Hinweis. Bedürfnisse sind also keine Beweise, aber sie sind ebenso wenig Gegenbeweise. Es kann also durchaus stimmen, wenn jemand zu einem Gläubigen sagt: „Du hast ein Bedürfnis danach, dass dir jemand hilft, mit dem Leben klarzukommen, und deshalb brauchst du eben Gott – obwohl es gar keinen gibt.“ Das ist durchaus möglich – dieses Bedürfnis kann aber genauso gut ein Hinweis für die Wirklichkeit namens Gott sein.

Neben diesen Einwänden glaube ich aber auch, dass Projektion, also was in meiner Vorstellungswelt geschieht, sogar ein Hindernis für den Glauben sein kann. Ich glaube manchmal noch nicht mal, dass es primär der Verstand ist, der es vielen Menschen so schwer macht, zu glauben. Und das sage ich als jemand, der viel Spaß an verstandesmäßigen Auseinandersetzungen mit Glaubensfragen hat. Gerade weil ich von der Wahrheit des Glaubens überzeugt bin, will ich mir jeden Einwand zum Thema anhören. Ich bin dafür, intellektuell darüber zu diskutieren. Aber Glauben hat ja nicht nur mit dem Verstand zu tun, auch – aber eben nicht nur. Ebenso haben Bilder damit zu tun und, die uns daran hindern können, Gott zu vertrauen.

Das sind zum einen Bilder, die auf den ersten Blick gar nichts mit Gott zu tun haben. Liebe muss ja für manche Menschen nicht immer etwas Positives sein. Wenn wir immer wieder erlebt haben, dass Liebe letzten Endes doch immer egoistisch ist, dann haben wir natürlich kein gutes Bild von Liebe. Wenn eine Person, für die Liebe nicht viel Gutes hat, hört, dass Gott bedingungslos liebt, klingen sicherlich alle Alarmglocken bei ihr.Oder stellen wir uns ein junges Mädchen vor, dass unter der strengen Hand ihres Vaters immer wieder unschöne Situationen erleben musste.

Ich kenne einige Beispiele, wo der Vater seinem Kind viele schöne und spaßige Dinge untersagt hat. Wenn diese Kinder, die doch sehr unter ihrem herrschenden Vater zu leiden hatten, als Jugendliche in einen Gottesdienst kommen, in dem gesagt wird „Gott ist wie ein allmächtiger Vater“. Dann könnte ich verstehen, wenn sie sagen: „Nein danke, ich habe schon einen von der Sorte.“ Zum anderen gibt es aber sicherlich auch Probleme bei Bildern über Gott selbst. Zwei davon, die wir in der Gesellschaft immer wieder hören, möchte ich kurz aufgreifen.

Ein gängiges Bild: Gott ist ein Gott der Ferne, der ganz weit weg ist.

Vielleicht hat er irgendwann mal die Erde geschaffen, aber damit hat sich sein Engagement für die Welt auch schon. Es ist ein Gott „hinter’m Sternenzelt“, dieses eine höhere Wesen, das es ja irgendwie geben muss, das auch mal romantische Gefühle auslöst, wenn man einen atemberaubenden Sonnenaufgang erlebt hat, das aber eigentlich keinerlei Interesse an uns hat und was auch deshalb keinerlei Auswirkung auf mein alltägliches Leben hat. Und ich habe wirklich vollstes Verständnis dafür, wenn man sagt:

„Bei so einem fernen Gott, was spielt es da für mich eine Rolle, ob es ihn gibt oder nicht? Warum sollte ich mich für so einen interessieren, wenn er sich doch auch nicht für mich interessiert?“

Ich stimme da vollkommen zu: Ein ferner Gott ist total unspannend.

Ein weiteres gängiges Bild: Der fordernde Gott

Vielleicht kennen Sie ja folgenden Witz:

Fragt die Lehrerin in der Schule: „Was ist Religion?“ Klein-Fritzchen meldet sich und sagt: „Religion ist das, was man nicht darf.“

Ich würde einmal behaupten, dass dieses Bild in den Köpfen vieler gar kein scherzhaftes ist, sondern ein überaus ernsthaftes. Wenn manche Leute merken, dass ich Christ bin, werden sie auf einmal ganz höflich, aber vor allem angespannt. Manche schauen mich aber auf etwas schräg von der Seite an und befürchten, dass ich jeden Moment etwas Seltsames sagen werde. Das Bild vom fordernden Gott, für manche ist das regelrecht bedrückend.Denn wer dieses Bild in sich trägt, der hat sich einen Gott am Sonntagsbuffet zusammengestellt, der immer wieder sagt:

„Pass auf, ich sehe dich. Ich sehe dich ständig. Ich weiß, was du denkst und tust und wenn du nicht tust, was ich von dir möchte, dann mache ich dir Druck. Ich ziehe eine Schnur vor deinen Füßen auf und wenn du diese Schnur auch nur ein klein bisschen übertrittst, dann kriegst du gewaltigen Ärger.“

Eine ganz entscheidene Frage ist nur:

Was ist denn, wenn Gott ganz anders ist, als Sie bisher erfahren oder gedacht haben?

Wenn wir Christen von Gott reden, dann meinen wir, dass dieser Gott persönlich ist. Gott ist kein Es, sondern ein Jemand, der ansprechbar ist, Absichten hat, sogar Gefühle und Sehnsüchte. Der Gott, an den wir Christen glauben, den kann sogar etwas fehlen, nämlich der Kontakt zu den Menschen, der er geschaffen hat. Dann hat er keine Lust, stiller Verwalter des Universums zu sein, sondern er sagt sich: „Dieser eine Mensch fehlt mir – und solange ich nicht wieder in Kontakt mi ihm komme, solange suche ich nach ihm.“Jesus drückt das an einer Stelle für viele verblüffend aus, wenn er sagt:

„Wisst ihr was? Gott ist wie eine Frau.“

„Was?!“, sagen die Leute. „Ja“, sagt Jesus, „Gott ist wie eine Frau, die zehn silberne Münzen besitzt. Und diese Münzen sind ihr ein und alles.“ Ich stelle mir diese Frau so vor: Eines Morgens steht sie auf und geht sie zu ihrer kleinen Kommode, in der sie in der obersten Schublade ihre zehn geliebten Silbermünzen drin liegen hat. Und die zählt sie jeder Morgen voller Lust und Freude durch, weil ihr so viel an ihnen liegt (vielleicht kommt sie aus Schottland?). Und sie zählt: „Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun, zehn.“ Wunderbar, alle noch da. Sie legt die Münzen wieder zurück, macht die Schublade zu und beginnt zufrieden ihr Hausarbeit.

Abends kommt sie wieder zurück, geht in das Zimmer, in dem die Kommode die mit den Münzen steht, öffnet wieder die Schublade und beginnt zu zählen. „Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun, …“ „Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun…“ Oh nein! Eine fehlt, wo ist sie hin, heute morgen waren sie alle noch da. Sie schaut unter den Teppich, hinter die Komodo, rückt Mübel von der Wand, schiebt die Tische zur Seite und sucht und sucht und sucht. Und irgendwann, da hat sie diese eine fehlende Münze wiedergefunden.

Und was tut eine Frau in solch einem Fall, wenn sie etwas findet, dass sie schon lange gesucht? Logisch: Sie rennt zu ihren Freundinnen und Nachbarinnen und erzählt es allen. Sie sagt: „Meine Münze, mein Erbstück, mein Schatz, den ich so vermisst habe, endlich ist sie wieder da. Kommt, feiert mit mir!“Das mag sich für Sie nun möglicherweise ungewohnt anhören, aber genauso glauben Christen, ist Gott: Er sucht nach jeden einzelnen Menschen.Wenn ihm auch nur der Kontakt zu einem einzigen Menschen abhanden gekommen ist, sich ein Mensch von ihm entfremdet, sich von ihm abwendet oder angefangen hat, ihm zu misstrauen, dann lässt das Gott keine Ruhe. Und er läuft dem Menschen nach, sucht ihn, bis er ihn gefunden hat. Weil er jedem einzelnen mit seiner Liebe begegnen will und jeden einzelnen Menschen unendlich wertvoll findet.

Das ist der Gott, an den wir Christen glauben. Der Gott, der selbst Mensch geworden ist, um Kontakt mit seinen Geschöpfen zu haben. Denn warum sonst, nach christlicher Auffassung, kommt Gott sonst auf die Erde, wird Teil seiner eignen Schöpfung. Was bringt ihn dazu?Ich versuche das einmal, an einem Bild zu verdeutlichen, ein Bild, dass ein wenig Fantasie erfordert und auch zugegebenermaßen etwas banal ist, aber zur Darstellung dennoch sehr gut ist.

Stellen wir uns vor, auf meiner Hand leben ein paar Ameisen und unterhalten sich über die Existenz von Stephan Lange (das bin ich). Unter den Ameisen sind einige sehr gläubige Ameisen, die sagen: „Ich bin sicher, dass Stephan Lange existiert, ich kann ihn deutlich spüren.“ Und da gibt es Ameisen, die da sagen: „Naja, naja, ich weiß ja nicht so recht. Vielleicht ist Stephan Lange auch nur eine Illusion.“ Nun kommt das Bild an einer erste Grenze. Stellen wir uns vor: Ich liebe diese Ameisen über alles. Ich möchte mit ihnen in Kontakt sein, in ein Gespräch mit ihnen kommen, damit sie lernen, mir zu vertrauen. Ich möchte mich eindeutig mitteilen. Wie könnte ich das anstellen?

Eine erste Möglichkeit: Ich klatsche meine beiden Hände einmal ordentlich zusammen, dann habe ich mich absolut klar und deutlich mitgeteilt, aber es mangelt mir anschließend an Gesprächspartnern. Eine zweite Möglichkeit: Ich sage einmal laut: „Hallo?“, dann sind die Ameisen wahrscheinlich taub (wie gesagt, das Bild ist etwas banal). Die dritte Möglichkeit: Ich müsste es irgendwie schaffen, mich in die Welt der Ameisen zu begeben, eine von ihnen werden, damit wir uns auf Augenhöhe begegnen können. Damit ein echtes Gespräch auch überhaupt erst einmal stattfinden kann.Wie gesagt, das Bild hat seine Grenzen und ist zudem etwas platt, aber beschreibt mit seinen Möglichkeiten genau das, was Gott nach christlicher Auffassung getan hat: Gott kommt in Jesus auf unsere Augenhöhe, um das Gespräch mit uns zu eröffnen, weil er sagt:

„Ihr fehlt mir. Ich möchte Kontakt mit euch haben. Ich komme in einer Art und Weise, die ihr verstehen könnt, damit ihr lernt, mir zu vertrauen.“

Was wäre, wenn Gott wirklich so wäre`Wenn er wirklich so wäre, dann kann einem wohl nichts Besseres passieren, als auf dieses Angebot einzugehen.

Und falls Sie noch Fragen oder Anmerkungen haben, dann schreiben Sie gerne einen Kommentar oder eine E-Mail.