Wie können Sie die Schriften eines psychopatisch gestörten, paranoiden, narzisstischen Menschen glauben schenken? Diese sind widersprüchlich, z.B. behauptet Jesus Gott zu sein und bekanntlich ist es verboten, Bilder von Gott zu malen. Wieso aber gibt es Bilder von Jesus? Wieso glauben wir einem Zauberer nicht, der geschickt Tricks vorführt, dass das echte Magie ist, aber einem kranken Mann, dass er Gott ist? Wie können sie mir beweisen, dass ich nicht auch ein Prophet bin? Sie wissen ja, dass es durchaus solche Störungen gibt, in denen man genau das glaubt. Sie sollen ruhig glauben, aber nicht extra eine Seite aufmachen, in der Sie nur Thesen nennen. Meine Persönlichkeit könnte auch behaupten, dass das Universum genau 300.000.000km groß ist; und dann ein Buch verfassen welches dies bezeugt. Sie können nichts beweisen.

Danke für diesen Einwand. Kurz zu Ihrer Frage, warum es Bilder von Jesus gibt. Es stimmt: In 2.Mose 20,4 heißt es ja wirklich: „Du sollst dir kein Gottesbild anfertigen.“ Gemeint ist damit aber, dass das Volk Israel (und wir) davor gewarnt wird, sich etwas, was der Mensch erschaffen hat, zu Gott zu erheben. Das ging in Israel auch gleich mächtig schief, wir kennen wohl alle den Bericht vom „Goldenen Kalb“. Aber auch heute stehen wir in der Gefahr, Dinge, die nicht Gott sind, zu unserem Höchsten zu erheben: Unser Geld, unsere Karriere, unsere Anerkennung, unser Auto, unser Ego etc. Es geht also mitnichten darum, dass man sich kein Bild von Jesus malen oder an die Wand hängen darf. Natürlich darf man das.

Nun aber zu Ihrem eigentlichen Punkt, den ich übrigens recht gut finde, da er sehr konsequent ist. Viele Menschen pflegen von Jesus ja eher ein „harmloses“ Bild: Jesus, das große moralische Vorbild. Jesus, der große ethische Lehrer. Aber so leicht macht es uns Jesus nicht. Und gerade weil die Lebensbeschreibungen Jesu heutzutage mehrheitlich als historisch zuverlässige Quellen gelten, gibt es eben nur diese drei Möglichkeiten, über Jesus zu denken: a) Er war ein Lügner, b) er war ein Paranoider oder c) er war wirklich Gott in Menschengestalt.

Und Sie haben gar nicht mal so Unrecht: Wer in so einer streng monotheistischen Gesellschaft wie der jüdischen behauptet, Gott selbst zu sein, wer verkündet, das ewige Schicksal aller Menschen hänge vom Glauben an ihn ab und wer sich für diese Aussage letztlich auch noch kreuzigen lässt, von so einem Menschen darf man wohl mit Fug und Recht sagen, dass er – nett gesagt – nicht mehr alle Tassen im Schrank hat. Und wenn man Jesus, sein Handeln und seine Aussagen wirklich einmal nur auf seine Behauptung reduziert, dass er selbst Gott sei, dann könnte wir gut begründet annehmen, dass Jesus ein psychotisch Gestörter und Paranoider war.

Diese Reduktion bringt allerdings so ihre Probleme mit sich. Wir werden Jesus nämlich weder gerecht, wenn wir ihn auf seine höchst anspruchsvolle Moralethik reduzieren, und ebenso wenig, wenn wir ihn rein auf seinen Gottesanspruch beschränken. Wir werden stets vom Pferd fallen, wenn wir uns entweder ausschließlich auf das eine oder ausschließlich auf das andere fokussieren. Nein, wir müssen stets das Gesamtbild von Jesu Verhalten und Aussagen im Blick haben, um eine wirklich adäquate Aussage über ihn treffen zu können. Wie wir es eben bei jeder alltäglichen Personenbeschreibung auch machen würden.

Sicher, wenn wir Jesus nur auf seine Behauptung „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand findet zu Gott, dem Vater außer durch mich“ beschränken, liegt die Vermutung nahe, ihn als paranoid abzutun. Aber das heißt das ja noch lange nicht, dass wir Jesus damit schon vollständig charakterisiert haben. Gary Collins schreibt:

Jesus war liebevoll, aber er ließ sich von seinem Mitleid nicht lähmen. Er hatte kein aufgeblasenes Ego, obwohl er oft von zahllosen Bewunderern umgeben war. Obwohl sein Leben oft ziemlich hart war, verlor er nie sein seelisches Gleichgewicht. Er wusste immer, was er tat und wohin er ging. Er kümmerte sich intensiv um Menschen, auch um Frauen und Kinder, die damals als nicht besonders wichtig angesehen wurden.

Er konnte Menschen annehmen, auch wenn er bei ihren Fehlern nicht geflissentlich wegsah. Er holte die Menschen da ab, wo sie waren, und ging auf ihre aktuellen Bedürfnisse ein… Alles in allem kann ich keine Anzeichen dafür erkennen, dass Jesus an irgendeiner uns bekannten psychischen Erkrankung litt.

Der britische Theologe John Stott ergänzt:

Es ist an Jesus nicht die Spur von fixer Idee zu finden. Er glaubt mit Leidenschaft, was er lehrt, aber ist kein Fanatiker. Manches, was er zu sagen hat, ist unpopulär, doch er ist kein Exzentriker. … Vor allem ist Jesus überhaupt nicht selbstsüchtig. Vielleicht beeindruckt uns nichts mehr als dies. Obwohl er entschieden davon ausging, dass er göttlich ist, markierte er nicht den großen Mann oder bestand auf seinem hohen Rang. Nie wirkte er wichtigtuerisch oder aufgeblasen. Er war demütig.

Wir sehen: Die für einen Psychopathen eigentlich „typischen“ Symptome weist Jesus nicht im Geringsten auf. Für mich ist es daher schwer vorstellbar, dass Jesus insgesamt nur einen einzigen geistesgestörten Bereich gehabt haben soll, ansonsten aber nichts Anormales oder Exzentrisches an sich hatte – ganz im Gegenteil sogar: Alle anderen seiner Verhaltensweisen sind auf einem allerhöchsten moralischen und ethischen Niveau, das seinesgleichen sucht. Das passt irgendwie nicht zusammen.

Wie wahrscheinlich es ist, dass verrückte Propheten wie ein Charles Manson (in den frühen 1970er Jahren mörderischer Kopf einer berüchtigten Hippie-Kommune) oder ein Jim Jones (ein Sektengründer, der selbst und mit ihm 900 seiner Anhänger 1978 bei einem Massenmord und -selbstmord zu Tode kamen) ihre Anhänger und die ganze Welt so geprägt haben könnten, wie Jesus es tat. Bono, der Frontmann der Rockband U2, sagte hierzu einmal:

Die Ansicht, dass die Entwicklung der Zivilisation von über der Hälfte unseres Globus von einem Spinner auf den Kopf gestellt und verändert wurde, ist für mich weit hergeholt.

Ich sehe das ganz ähnlich wie Bono, aber das heißt natürlich noch lange nicht, dass Sie das auch so sehen müssen. Mein Vorschlag zur Güte wäre aber dennoch, sich einmal ein (preisgünstiges) Neues Testament zu kaufen, die gibt es im (Online-)Buchladen in einer lesefreundlichen Übersetzung ja schon für 3,95€. Und es erwartet auch niemand von Ihnen, alles einfach so zu glauben, was dort steht. Aber die Frage, die in diesem Zusammenhang wichtig ist, lautet ja auch nur:

Welchen Eindruck macht dieser Jesus von Nazaret auf mich? Wirklich den Eindruck eines paranoiden Spinners oder doch etwas ganz anderes?

P.S. Zum Thema „Gott & Beweisbarkeit“ hatte ich übrigens bereits hier schon etwas zu geschrieben.