Meine Frage ist: Haben Sie Jesus oder Gott je erfahren oder irgendwie erlebt oder berufen sie sich bei ihrem Glauben nur auf das Buch Bibelforschung usw? Dann ist das doch auch mehr so ein „intellektueller“ Glaube oder ne Art Sinnsuche. Ich persönlich brauche Erfahrung oder ein Erleben, um etwas zu glauben alles andere finde ich unvernünftig.

Danke für diese gute Frage. Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen und sagen: Wer die Stimmigkeit seines christlichen Glaubens in erster Linie mit der Bibel begründet, der muss sich zu Recht den Vorwurf eines „blinden“ Glaubens gefallen lassen. Schließlich glauben Christen in erster Linie ja nicht an ein Buch, sondern an eine Person – die Person Jesus Christus. Genau aus diesem Grund meint Christsein ja auch in erster (und einziger Linie) eine vertrauensvolle Beziehung zu Jesus/Gott.

Und Vertrauen ist, wie wir alle wissen, eine zarte Pflanze. Das kann man nicht einfach so anknipsen oder durch Druck erzeugen – zumindest echtes Vertrauen nicht. Und darum geht es hier ja. Nein, Vertrauen will erworben werden, anders kann es nicht funktionieren. Von daher sprechen Sie es schon ganz richtig an, wenn Sie fragen, ob ich Jesus/Gott je erfahren oder irgendwie erlebt habe. Meine Antwort lautet: Ja, das habe ich. Und diese Erfahrungen verbuche ich unter meine „subjektiven Gründe für den Glauben“.

Meine subjektive Lebenserfahrung würden mir auf Dauer vielleicht aber auch gar nicht reichen; von daher bin ich ganz froh, dass ich nicht nur gute subjektive, sondern auch gute objektive Gründe für meine Weltsicht vorzuweisen habe. Sicherlich, es fing (zumindest bei mir) mit der Prüfung der objektiven Argumente und ging dann irgendwann dazu über, ob man Jesus auch wirklich ganz persönlich und konkret erfahren kann. Aber das Glaube diese Kombination aus guten subjektiven wie objektiven Gründe zu liefern hat, das finde ich persönlich sehr hilfreich.

Und natürlich liegt Ihnen die nächste Frage schon auf der Zunge: „Was haben Sie denn nun erlebt?“ Nun, stellen Sie sich einmal einen Menschen vor, der einen Charakterzug an sich hat, den er alles andere als gut findet. Und gerade weil er ihn so grausam findet, versucht er ihn natürlich loszuwerden. So war ich auch. Ich versuchte es und bemühte mich wirklich – aus mehreren Wochen des Versuchens wurden irgendwann einige Monate. Und irgendwann merkte ich:

„Ich habe nun solange wirklich ernsthaft versucht, von diesem Charakterzug loszukommen – aber mittlerweile muss ich der Tatsache ins Auge sehen: Es ist unmöglich. Ich schaffe es nicht, so sehr ich mich auch anstrenge. Finde ich mich also damit ab, dass ich so bin, wie ich bin.“

Irgendwann sagt eine gute Bekannte zu mir: „Nein, alles hast Du noch nicht versucht. Du hast noch nicht Jesus an Dich herangelassen und ihn um Hilfe gebeten.“ Das erschien mir beim ersten Hören zwar eher als schwacher Trost, aber was hatte ich schon zu verlieren? Ich wusste schließlich ganz genau, dass ich es aus eigener Kraft ohnehin nicht schaffen kann – dafür hatte es ich es viel zu lange vergeblich versucht.  Also betete ich:

„Jesus, wenn es Dich wirklich gibt, Du wirklich lebst und mich kennst, dann weißt Du auch, dass ich diesen einen miesen Charakterzug an mir habe, denn ich nicht will. Aber ich komme nicht von los. Ich habe es versucht, aber ich schaffe es nicht. Bitte hilf mir!

Am nächsten Tag kam es wieder zu einer Situation, in der mein mir verhasster Charakterzug sofort hätte anspringen müssen… aber er tat es nicht. Das ist für Sie, die Sie diese Zeilen lesen, vielleicht kein besonderes Ereignis gewesen. Für mich war es das allerdings schon. Weil ich genau wusste, wie stark ich immer versucht hatte, mein Wesen im Zaum zu halten, aber stets versagte. Aber auf einmal nicht mehr. Warum aber? Hatte dieses Gebet an diesen Jesus wirkletwich etwas damit zu tun? Das schien mir durchaus im Bereich des Möglichen zu liegen. (Andere wären vielleicht sofort aus den Latschen gekippt und hätten sich bekehrt, ich war da wohl etwas reservierter…)

Am gleichen Tag las ich in der Bibel. Ich weiß nun gar nicht, ob ich den Tag zuvor vorm Psalm 116 beim Lesen geendet oder ihn „zufällig“ aufgeschlagen habe, allerdings wurden meinen Augen erneut größer als ich dort las:

Ich war schwach und er hat mir geholfen. Nun kann ich wieder zur Ruhe kommen, denn der HERR ist gut zu mir gewesen. (Psalm 116, 6f.)

Das war am 05.01.2009. Ich habe gerade noch einmal meine alte Bibel aus dem Schrank gekrammt, dort hatte ich mir einst eine Notiz gemacht. Dieser Vers traf mich. Warum? Weil es (wieder) haargenau in meine Situation passte. Alles Zufall? Vielleicht, aber als sich solche „überzufälligen“ Situationen häuften, bemerkte ich irgendwann: Das kann alles kein Zufall mehr sein. Nein, Jesus steht wirklich vor meiner Tür und klopft an. Passend dazu eben der Vers, wenn Jesus sagt:

„Merkst du nicht, dass ich vor der Tür stehe und anklopfe? Wer meine Stimme hört und mir öffnet, zu dem werde ich hineingehen, und wir werden miteinander essen – ich mit ihm und er mit mir.“ (Off. 3,20)

Zusammen mit den objektiven Gründen für den Glauben – z.B. a) die gesicherte Existenz Jesu, b) seine gesicherte Behauptung, Gott selbst zu sein, c) der Punkt, dass so einen Gott, wie er uns in Jesus begegnet, niemals jemand erfinden würde, d) der Punkt, dass die Auferstehung historisch absolut denkmöglich ist u.v.m. – kam ich immer mehr zu der Überzeugung, dass es stimmt, was Christen glauben.

Und es war immer klar für mich: Ich lasse, wenn ich mich auf den Glauben einlasse, meinen Verstand weiterhin eingeschaltet. So dass ich mich bei jedem Schritt immer neu fragen kann:

„Macht das Sinn? Überzeugt es mich wirklich? Werde ich dadurch aufrichtiger, echter oder schneidet es einen Teil meines Denkens und meiner Persönlichkeit ab? Verstehe ich die Welt besser als vorher?” usw.

Das sind alles sozusagen „Sicherheitsabfragen“, um sich zu vergewissern, dass man auf dem richtigen Weg ist. Ich stelle sie mir natürlich auch heute noch.