29. Argument: Im Namen Gottes wurden schon immer und werden nach wie vor Kriege geführt und Menschen getötet. Wenn es denn einen Gott gibt, dann müsste er sich doch zu erkennen geben, damit das aufhört. Daraus könnte man schließen, es gibt ihn nicht. ODER aber es gibt nicht nur den einen Gott, sondern viele Götter die in, salopp gesagt, Konkurrenz zu einander stehen – dann ist aber auch das monotheistische Christentum hinfällig.

Danke für diesen guten Einwand und ich stimme zu: Solch einen Gott gibt es nicht. Ich glaube aber, dass das eigentliche Problem weniger bei Gott selbst, sondern viel eher bei unserer Vorstellung von Gott liegt. Auch diesem Einwand liegt ja ein bestimmtes Gottesbild zugrunde – nämlich ein Gott, der genau die Dinge unterbindet, die auch wir unterbinden würden, wenn wir Gott wären. Wie eben Dinge wie Krieg, Mord, Vergewaltigung etc. Aber das ist ein verkürztes Gottesbild. Bitte verstehen Sie mich nun nicht falsch: Ich will gar nicht sagen, dass diese Dinge in Gottes Augen nicht verabscheuungswürdig sind. Ich möchte nur sagen, dass für Gott nach der Bibel jedes menschliche Fehlverhalten im gleichen Maße inakzeptabel ist – wie z.B. Unzucht, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habgier, Bosheit, Hinterlist, Zügellosigkeit, Missgunst, Verleumdung, Überheblichkeit und Unvernunft, vgl. Markus 7,22.

Das ist für uns sicherlich ungewohnt, so zu denken: Diebstahl und Mord auf der gleichen Ebene? Passt irgendwie nicht. Aber wenn wir die Bibel aufmerksam lesen, merken wir, dass Gott da keinen Unterschied macht: Alle Sünde wiegen für Gott gleich schwer; unser teils ohnehin verschwommenes Werturteil (Stichwort: „Kavaliersdelikte“) tut hier überhaupt nichts zur Sache. Das Bild von Gott, der sich „nur“ bei Kriegen oder aus unserer Sicht vergleichbar schlimmen Taten zu erkennen gibt, um das Unrecht zu stoppen, ist folglich kein biblisches bzw. christliches.

Was möchte ich damit sagen? Zur Verdeutlichung ein kurzes Gedankenexperiment: Wie sähe es aus, wenn wir das Ganze vor dem Hintergrund eines christlichen Gottesbildes betrachten? Was wäre, wenn Gott sich bei allen Dingen, die aus seiner Sicht Unrecht sind, zu erkennen gibt und dem Unrecht ein Ende bereitet? Was wäre z.B., wenn Gott sich jedes Mal zu erkennen gäbe, wenn ein Krieg auszubrechen droht? Sicherlich, der Krieg würde beendet sein, bevor er überhaupt begonnen hätte. Aber eine andere Konsequenz wäre auch, dass der Mensch nicht mehr wirklich frei wäre. Denn wer käme überhaupt noch auf die Idee, einen Krieg anzuzetteln, wenn er wusste, dass Gott sofort einschreitet und ihn verhindert? Niemand. „Naja“, sagen manche. „Das würde ich um des Frieden Willens sogar in Kauf nehmen.“ Das wäre zwar eine noble Haltung, aber wie gesagt: Gottes Vorstellungen von „gut“ und „falsch“ sind nicht deckungsgleich mit unseren jeweiligen Vorstellungen.

Der Gott, an den Christen glauben, würde nicht nur jedes Mal bei Kriegen einschreiten, sondern auch immer bei Dingen wie Lügen, Unzucht, Habgier, Hinterlist, Verleumdung usw. Wer würde noch lügen, wenn er weiß: „Wenn ich lüge, wird Gott mich meine Lüge gar nicht erst aussprechen lassen.“ (vlt. kennen Sie ja den Film „Der Dummschwätzer“ mit Jim Carrey) Oder: „Gott wird sich sofort erkennbar machen und jeden darauf hinweisen, dass ich gelogen habe.“ Wer würde noch seine Steuererklärung fälschen, wenn er weiß, dass das gar nicht geht. Weil jedes Mal, wenn ich es versuche, Gott meinen PC abstürzen lässt. Die Beispiele lassen sich beliebig fortführen. Und hier merken wir: Wer es wirklich ernst mit der menschlichen Willensfreiheit meint, muss es auch zulassen, dass etwas Böses getan werden kann.

Und genau das ist eine der ersten Auskünfte der Bibel: Gott meint es sehr ernst damit. Genau deshalb hat er dem Menschen die Entscheidungs- und Willensfreit gegeben. Weil er sich nichts Sehnlicheres wünscht als eine reale Beziehung zu seinen Geschöpfen. Und so eine Beziehung kann nur dann real und echt, wenn der Mensch wirklich frei in seiner Entscheidung ist, diese Beziehung einzugehen. Alles andere wäre eine Art „Zwangsgemeinschaft“, die alles andere als „im Sinne des Erfinders“ wäre.

Würde sich Gott also jedes Mal zu erkennen geben, wenn in seinen Augen Unrecht geschieht (wir würden vermutlich keine Stunde ohne Gottes Eingreifen sein), hätten wir keine wirkliche Freiheit mehr, uns für oder gegen Dinge zu entscheiden – weder gegen Lüge, Hinterlist, Missgunst usw. und auch nicht gegen Gott selbst. Denn es wäre natürlich furchtbar dumm, Gott abzulehnen, obwohl man genau weiß, dass es ihn gibt. Aber genau diese Motivation, diese erzwungene und daher unfreie Entscheidung, ist nicht vereinbar mit dem Gott, wie ihn die Bibel beschreibt.