Fakt oder Fiktion? Die Auferstehung Jesu

Mit Blick auf die Auferstehung, den Dreh- und Angelpunkt des christlichen Glaubens, stellt sich ja vollkommen zu Recht folgende Frage: Kann die Behauptung, dass Jesus von den Toten auferstanden sein soll, zum „Kreis der vernünftigen Annahmen“ gezählt werden? Heutzutage? Im 21. Jahrhundert? Meine Antwort: Ja, das ist problemlos möglich! Vielleicht hilft es Ihnen zu wissen, dass davon sogar Leute überzeugt sind, die zu den Großmeistern naturwissenschaftlicher Forschung gehören.

Hierzu gehören nicht nur Leute wie die Physik-Nobelpreisträger Antony Hewish, Carlo Rubbia und William Phillips, sondern auch der Chemie-Nobelpreisträger Brian Kobilka, der Nobelpreisträger für Physiologie oder Medizin Werner Arber, der Harvard-Professor für Biologie und Mathematik Martin Nowak (einer der weltweit führenden Forscher auf dem Gebiet der Evolutionsbiologie), der renommierte Genetiker und Erbgut-Entzifferer Francis Collins, der weltberühmte Quantenphysiker Anton Zeilinger und der NASA-Direktor Charles Bolden. Wer also gehofft hat, dass die Auferstehung Jesu nur von der einfach gestrickten Bevölkerung ernst genommen wird, irrt gewaltig.

Aber nur, weil eine Vielzahl von Spitzenforschern Christen sind, heißt das natürlich nicht automatisch, dass die Auferstehung deshalb eine vernünftige Annahme ist. Wie können wir diese Frage also in den Griff bekommen? Nun, es dürfte auf der Hand liegen, dass wir es bei der Auferstehung Jesu, die vor etwa 2.000 Jahren stattgefunden haben soll, mit einem (vermeintlich) historischen Ereignis zu tun haben. Wieder einmal ist es also die moderne Geschichtsforschung, die uns bei der Begutachtung des christlichen Glaubens helfen kann.

Auferstehung: Ein Ding der Unmöglichkeit?

„Moment“, denken nun einige. „Egal, was manche Naturwissenschaftler denken und welche Gründe uns die Geschichtswissenschaft vorlegen kann: So etwas wie die Auferstehung ist einfach nicht möglich! Toten stehen nun einmal nicht wieder auf.“ An dieser Stelle möchte ich kurz meinen Großcousin Tom ins Spiel bringen: Wenn eine Millionen Leute versuchen, über einen Swimmingpool zu laufen und dabei untergehen, heißt das nicht, dass Toms Erfolgschancen bei 1 zu 1.000.000 liegen. Wenn ich auf dem Rand des Pools neben ihm hergehe und seine Hände halte, ist seine Chance, auf dem Wasser gehen zu können, bei 100%. Wenn Sie mich nun der Schummelei bezichtigen, da ich als externer Akteur in die Situation eingegriffen habe, haben Sie Recht!

Sie sehen, worauf ich hinauswill: Dass in der Weltgeschichte um die 100 Milliarden Menschen nicht von den Toten auferstanden sind, ist nur ein Beleg dafür, dass tote Menschen tot bleiben, wenn Gott nicht eingreift. Aber wenn Gott existiert und er Jesus von den Toten auferwecken will, dann liegt Jesus‘ Chance, auferweckt zu werden, bei 100%. Die Frage, ob die Auferstehung wirklich stattgefunden hat oder nur symbolisch zu verstehen ist, hängt also einzig und allein von der Frage ab, ob Gott existiert. Und dass das eine vernünftige Annahme ist, dafür hatte ich zu Beginn plädiert.

Es bleibt dabei: Sofern Sie meinem Plädoyer zustimmen, sagen Sie immerhin, dass es vernünftigerweise sein kann, dass Gott existiert. Und genau dann ist auch so etwas Unglaubliches wie die Auferstehung Jesu nicht mehr ausgeschlossen! Das heißt selbstverständlich nicht, dass ich blind von der Richtigkeit der Auferstehung ausgehen muss, nur weil Gott zu so etwas prinzipiell in der Lage ist. Es ist klar, dass man davon nicht „einfach nur so“ ausgehen sollte. Man braucht vernünftige Gründe dafür, die Auferstehung Jesu ernst zu nehmen; selbst dann, wenn man Wunder prinzipiell für möglich hält.

Der historische Rand der Auferstehung

Es ist die Geschichtswissenschaft, die uns hierbei weiterhelfen kann. Denn wie alle historischen Ereignisse besitzt auch die Auferstehung Jesu einen „historischen Rand“, auf den man sich stützen kann. Der Religionsphilosoph Heinzpeter Hempelmann schreibt hierzu:

Die neutestamentlich berichtete Ostergeschichte besitzt allerdings einen »historischen Rand«, der geschichtswissenschaftlich erweisbar ist. Dieser historische Rand steht im Prinzip allen Deutungen offen, atheistischen wie christlichen. Entscheidend ist, welche Theorie die vorliegenden Quellen, das historisch eruierbare [= ermittelte] Material am besten zu integrieren vermag. Der weltanschaulich offene Historiker wird demgemäß nicht von vornherein ausschließen können, daß es sinnvoll ist, hinter dem historisch Feststellbaren ein Handeln Gottes anzunehmen.[1]

Was hat es mit diesem Rand auf sich? Hierunter wird eine Reihe von etablierten und anerkannten historischen Argumenten gefasst, von denen uns bereits folgende ausreichen sollen: a) Das Grab Jesu war leer, b) die ersten Christen waren der aufrichtigen Überzeugung, dass ihnen der auferstandene Jesus erschienen sei, obwohl c) im jüdischen Denken die Auferstehung eines Einzelnen inmitten der Weltgeschichte unvorstellbar war.

Natürlich geht es mir auch jetzt nicht darum, Ihnen weiszumachen, dass die Auferstehung die einzig mögliche Erklärung ist. Es geht mit „nur“ darum zu zeigen, dass die Auferstehung für beides eine vernünftige Erklärung darstellt. Schließlich gilt: Selbst dann, wenn es plausible „auferstehungsfreie“ Erklärungen für das leere Grab und die Jesus-Erscheinungen der frühen Christen gibt, sagt das nichts über die Vernünftigkeit der christlichen Erklärung aus! Diese kann – sofern sie denn vernünftig ist – immer noch vernünftig bleiben, auch wenn sich beide Dinge anders erklären lassen. Würde die Frage lauten, ob man beides auch ohne Gott erklären kann, wäre die Antwort genauso einfach: Ja, kann man! Aber das ist ja (nach wie vor) nicht unsere Frage. Wenn wir klären wollen, ob es plausibel ist, die Auferstehung Jesu historisch ernst zu nehmen, müssen wir prüfen, ob die „christliche Erklärung“ für das leere Grab und die Jesus-Erscheinungen der ersten Christen vernünftig sind oder nicht. Fangen wir an!

Das Grab, das leer war

Damit die Botschaft der Auferstehung Jesu in Jerusalem überhaupt Fuß fassen konnte, musste logischerweise eine zentrale Bedingung erfüllt sein: Das Grab, in das Jesus nach seiner Kreuzigung und Einbalsamierung gelegt wurde, musste leer sein. Der Erfolg der Auferstehungsbotschaft wäre ansonsten undenkbar gewesen. Sie hätte sich im damaligen Jerusalem – dem kultischen Zentrum der jüdischen Welt mit immerhin 40.000 Einwohnern – keinen einzigen Tag halten können. So lange die Jerusalemer dachten, die Leiche Jesu liege im Grab (und dessen Ort war ja bekannt), hätte wohl kaum jemand geglaubt, er sei von den Toten auferweckt worden. Ein volles Grab wäre vor allem für die Gegner der frühen Christen ein gefundenes Fressen gewesen: Man stelle sich einmal vor, wie erfolgreich die Auferstehungsbotschaft der Jünger in Jerusalem hätte sein können, wenn sie ständig durch das Zeigen des Leichnams Jesu widerlegt worden wäre. Übrigens hören wir die religiöse Elite nirgends gegen die Behauptung des leeren Grabes protestieren. Ihr Vorwurf lautete vielmehr „Leichenraub“, das setzt aber ein leeres Grab voraus.

Ein nicht leeres Grab wäre ohnehin früher oder später aufgeflogen. Wie vorhin erwähnt, wurde nach jüdischer Tradition ein Leichnam wie der von Jesus behutsam in Leinentüchern eingewickelt, die – mit der Absicht, eine Grabkammer für mehrere Leichen zu gebrauchen – zuvor mit wohlriechendem Kräuterduft präpariert wurden. Anschließend wurde die Leiche in die Kammer gelegt. Nach der Verwesung des Fleisches nahm man die Knochen, legte sie ehrfurchtsvoll zusammen und lagerte sie ihn einem dafür vorgesehenen Knochenkasten (Ossuar). Wären die sterblichen Überreste Jesu noch im Grab gewesen, hätte sie jemand über kurz oder lang herausgeholt; spätestens dann hätte man dem ganzen Spuk ein Ende bereitet. Darüber hinaus hätte der gut bezeugte jüdische Brauch, Märtyrer- und Heiligengräber zu verehren, auch beim Grab Jesu einen „Heiligenkult“ entstehen lassen müssen, eine Art „Wallfahrtsort“ für alle weiterbestehenden Jesusbewegungen. Ein solcher Brauch entwickelte sich aber nicht.

Die Berichte über das leere Grab sind darüber hinaus unmittelbar mit den Osterberichten verbunden: Frühmorgens am „Ostersonntag“ gehen einige Jüngerinnen Jesu zum Grab, finden den Stein weggewälzt und das Grab ohne den Leichnam Jesu. Daraufhin laufen sie zitternd und ängstlich zu den Jüngern und berichten. Das ist insofern informativ, als die Aussage von Frauen im Judentum der damaligen Zeit – so ungern ich es auch sage – keine Gültigkeit hat. Beim jüdischen Geschichtsschreiber Josephus lesen wir: „Das Zeugnis der Frau ist nicht rechtsgültig wegen der Leichtfertigkeit und Dreistigkeit des weiblichen Geschlechts.“[2]

Hätte man das leere Grab glaubhaft machen wollen, hätte man also gerade nicht Frauen als erste Zeugen installiert. Dass man es doch tat, spricht gerade für die Historizität des leeren Grabes: Weil „unglaubwürdige“ Frauen als erste Zeugen benannt werden, kann der Grund hierfür nicht Erfindung oder Einbildung gewesen sein, sondern spricht klar für das tatsächliche Geschehen. Thomas Söding, Professor für neutestamentliche Exegese und Theologie, bringt es auf den Punkt:

Hätte man eine story erfinden wollen, um den Glauben an die Auferstehung Jesu zu veranschaulichen oder apologetisch [= verteidigend] abzusichern, hätte man alles machen dürfen, nur eines nicht: die Geschichten so erzählen, wie sie im Neuen Testament stehen: Über das „hysterische Weib“ und die „unscheinbare Frau vom Lande“, auf die es dann ankommt, haben sich die Gelehrten schon immer gern lustig gemacht.[3]

Letztlich stimmt der archäologische Befund des Grabes, das man heute in der Jerusalemer Grabeskirche besichtigen kann, in überzufälliger Weise mit dem literarischen Befund überein.[4] Es wurde in der Zeit von Konstantin dem Großen unter einem römischen Venustempel aufgefunden, der im Zuge der Gründung der Kolonie Aelia Capitolina 136 n. Chr. erbaut wurde. Da Gräber in der Antike aber außerhalb der Stadt lagen, wäre niemand auf den Gedanken gekommen, das Grab mitten in der Siedlung zu suchen, wenn dies nicht der Volksmund nahegelegt hätte.

Die Jesus-Erscheinungen der ersten Christen

Unter Fachleuten gilt es als historischer Fakt, dass wenige Tage nach der Kreuzigung verschiedene Einzelpersonen und Gruppen berichteten, ihnen sei bei verschiedenen Gelegenheiten der auferstandene Jesus lebend erschienen. Die Jesus-Erscheinungen der ersten Christen sind zweiter zentraler Bestandteil des historischen Randes zur Auferstehung. Die älteste und historisch zuverlässigste Nachricht, die uns für die Ostererlebnisse der ersten Christen zur Verfügung steht, ist der paulinische Bericht im 15. Kapitel des ersten Korintherbriefes. Dieser nimmt bei der historischen Frage nach dem Ostergeschehen in der Forschung eine Schlüsselstellung ein:

Zu dieser Botschaft, die ich so an euch weitergegeben habe, wie ich selbst sie empfing, gehören folgende entscheidenden Punkte: Christus ist – in Übereinstimmung mit den Aussagen der Schrift – für unsere Sünden gestorben. Er wurde begraben, und drei Tage danach hat Gott ihn von den Toten auferweckt – auch das in Übereinstimmung mit der Schrift. Als der Auferstandene hat er sich zunächst Petrus gezeigt und dann dem ganzen Kreis der Zwölf. Später zeigte er sich mehr als fünfhundert von seinen Nachfolgern auf einmal; einige sind inzwischen gestorben, aber die meisten leben noch. Danach zeigte er sich Jakobus und dann allen Aposteln. Als Letztem von allen hat er sich auch mir gezeigt; ich war wie einer, für den es keine Hoffnung mehr gibt, so wenig wie für eine Fehlgeburt. (1Kor 15,3-8)

In der wissenschaftlichen Debatte ist unbestritten, dass diese Formelüberlieferung bis in die älteste Zeit nahe an die Geschehnisse selbst heranführt. Selbst Gerd Lüdemann zufolge fällt die „Ausbildung der in 1. Kor 15,3-8 genannten Erscheinungstraditionen … in die Zeit zwischen 30-33 n. Chr., weil nämlich die Erscheinung vor Paulus die letzte der Erscheinungen darstellt und nicht später als 33 n. Chr. zu datieren ist.“[5] Und Lüdemann weiter: „Es kann als historisch sicher gelten, daß Petrus und die Jünger Erfahrungen nach dem Tod Jesu hatten, in der Jesus zu ihnen als Christus erschien.“ Auch Theißen und Merz schließen ihre Analyse hierzu wie folgt ab:

Eine Überlieferung in 1Kor 15,3b-5, die bis nahe an die Ereignisse selbst heranführt, bezeugt Einzel- wie Gruppenerscheinungen. Die Glaubwürdigkeit dieser Überlieferung wird erhöht, weil sie z.T. von der traditionsgeschichtlichen unabhängigen Erzählüberlieferung bestätigt wird und weil im Falle des Paulus das Selbstzeugnis eines Augenzeugen besitzen, der die anderen Zeugen zu einem großen Teil gekannt hat. An der subjektiven Authentizität dieser Zeugnisse besteht kein Zweifel, d.h. sie stammen von Menschen, die bona fide von einer überwältigenden Erfahrung zeugen.[6]

Das ist natürlich nicht nur die Meinung einzelner, sondern die übliche Ansicht in der neutestamentlichen Kritik: Hunderte Anhänger Jesu berichteten wenige Tage nach dem 7. April 30, dass ihnen der hingerichtete Jesus erschienen sei. An der subjektiven Authentizität dieser Erscheinungserlebnisse besteht kein Zweifel: Die Behauptung der ersten Christen, dass ihnen der Gekreuzigte lebend erschienen sei, ist historisch ernst zu nehmen. Das heißt freilich nicht, dass diese Überzeugung auch der Wahrheit entspricht. Wer den „Jesus lebt“-Rufen der ersten Christen naiverweise „einfach so“ glaubt, muss sich zu Recht den Vorwurf gefallen lassen, warum er z.B. nicht auch Louise Welling glaubt, die im Frühjahr 1988 behauptete, den 1977 verstorbenen Elvis lebend gesehen zu haben.

Es ist klar: Nur weil die frühen Christen sagten, dass ihnen Jesus erschienen sei, heißt das nicht, dass Jesus auch wirklich von den Toten auferstanden ist. Erschwerend kommt hinzu: Die Glaubwürdigkeit der Auferstehungsbotschaft nimmt sogar noch um ein Vielfaches ab, wenn wir sie in ihrem historischen Kontext betrachten.

Ein Gekreuzigter soll Gott sein?

Wer denkt, dass die Menschheit erst das Zeitalter der Aufklärung brauchte, um zur simplen Überzeugung „Tote erstehen nicht wieder auf“ zu gelangen, der irrt gewaltig: Auch im Zeitgeist der Antike wurde eine Totenauferstehung strikt abgelehnt – und im Judentum ein auferstandener Jesus erst recht. Das hatte seine guten Gründe:

Die schmachvolle Hinrichtung Jesu führte zu einer tiefen Ernüchterung bei allen, die zuvor ihre Hoffnung in Jesus gesetzt hatten. Vor allem natürlich bei den Jüngern, die sogar einige Jahre ihres Lebens komplett für Jesus geopfert hatten. Von welcher Hoffnung spreche ich aber? Im Kern geht es hierbei um den Messias-Anspruch, den Jesus erhob: Im jüdischen Verständnis leitet der Messias einen definitiven, neuen Zustand der Welt ein, der über alles Bisherige hinausgeht. Er bringt Israel und dadurch der ganzen Menschheit das Heil, verteidigt es gegen seine Feinde und bringt den ultimativen Frieden.[7]

Nun sahen die Zuschauer der Kreuzigung Jesu allerdings keinen triumphalen Erlöser, sondern einen Mann, der bitterlich gefoltert und grausam hingerichtet wurde. Vielleicht blitzte bei seinen Anhängern sogar noch ein letzter Funken Hoffnung auf, als dem am Kreuz hängenden Jesus aus der Menge zugerufen wird: „Wenn du Gottes Sohn bist, dann hilf dir selbst und steig herab vom Kreuz!“ (Mt 27,40) Aber was geschah? Nichts! Spätestens in diesem Moment wussten die Jünger ganz genau: „Es ist aus! Wie andere haben auch wir aufs falsche Pferd gesetzt. Das ist nicht der Messias!“

Jesus war schließlich nicht der erste, der sich als Erlöser ausgab. Messianische Bewegungen waren zu dieser Zeit nichts Unbekanntes: Bereits zur Zeit der Geburt Jesu (ca. 6/4 v. Chr.) gab sich ein Mann namens Judas, der Sohn des Ezechias, als Messias aus, als er gegen die römische Oberherrschaft in Nordisrael rebellierte. Er wurde von Herodes ergriffen und hingerichtet. Auch der Rebell Simon von Peräa, ein ehemaliger Sklave von Herodes, beanspruchte den Messias-Titel für sich und wurde 4 v. Chr. von den Römern getötet. Ein paar Jahre später (3 n. Chr.) ließ Herodes Archelaos den Aufrührer und Schafhirten Anthronges töten. Auch dieser gab vor, der Messias zu sein.[8] Wie die hoffnungsvollen Anhänger von Judas, Simon und Anthronges sehen wir letztlich auch die Jünger Jesu enttäuscht:

„Wir hatten gehofft, er sei es, der Israel erlösen werde!“ (Lk 24,21)

Aber es kommt noch schlimmer! Der gleiche Abschnitt im Gesetz des Mose, der schon das Begräbnis Jesu am Tag seiner Kreuzigung forderte, offenbarte das Schlimmste über Jesus. Juden, die sich bestens in ihrer autoritativen und heiligen Thora auskannten, wussten: „Von Gott verflucht ist derjenige, der ans Holz gehängt wurde.“ (5Mos 21, 23a). In jüdischen Augen machte die Kreuzigung Jesu eines ganz klar: Er war nicht nur ein Schaumschläger, sondern darüber hinaus auch jemand, der von Gott verflucht war.

Jeder Jude verstand die Kreuzigung als Verdammungsurteil Gottes über Wirken und Verkündigung Jesu. Er, der vorgab, Gott selbst zu sein, wurde durch seinen Kreuzestod entlarvt. Deutlicher kann ein vermeintlicher Messias nicht scheitern! Die Flucht seiner Schüler aus Jerusalem überrascht daher kaum.

Die meisten Juden zur Zeit Jesu waren davon überzeugt, dass es eine Auferstehung der Toten geben wird – sie gingen davon aus, dass Gott sich nach dem Tod um die Seele kümmert, bis er dann am Jüngsten Tag seinem Volk neue Körper gibt, wenn er die Welt richtet und erneuert. Für Juden war diese Auferstehung, ich betone es noch einmal, ein zweistufiger Prozess! Letztlich mündet er in der körperlichen Auferweckung, im jüdischen Denken kommt es dazu aber erst am Ende der Tage und zwar von allen Gerechten.

Dass ein Einzelner (in unserem Fall der gottverfluchte Jesus) inmitten der Weltgeschichte (wenn noch Krankheit, Tod und Ungerechtigkeit herrschen) von den Toten aufersteht, das war im jüdischen Denken ausgeschlossen und nicht vorgesehen! Für Juden war die Auferstehung Jesu deshalb genauso unvorstellbar, wie sie es für viele Menschen auch heute ist; nur eben aus anderen Gründen.

Ein plötzliches Neudenken

Die verängstigten Jünger, die gerade dabei sind, alles wegzuwerfen, aus Jerusalem zu fliehen und Jesus verleugnen, verwandeln sich plötzlich in eine selbstbewusste und überzeugte Missionsgesellschaft. Obwohl der schändliche Tod am Kreuz und selbst das jüdische Denken klar gegen die Auferstehung sprechen, scheint Jesus nicht mehr der gottverfluchte Möchtegern-Messias zu sein, sondern, so sagten die ersten Christen, „der da ist Gott über alles.“ (Röm 9,5) Eine krassere Kehrtwende in der Vorstellung, wer Jesus ist, ist kaum vorstellbar!

Von Anfang an verwiesen die Jünger auf die Göttlichkeit Jesu: Er ist Gott gleich (Tit 2, 13[9]; Phil 2,6[10]), in ihm ist die Herrlichkeit Gottes (2Kor 4,6[11]; Phil 3,21[12]) und ihm wurde der Name Gottes verliehen (Phil 2,9f.[13]). Jesus wird als jemand beschrieben, der direkt am göttlichen Schöpfungshandeln beteiligt war (1Kor 8,6[14]), und ihm gelten nun Zitate, die ausschließlich Gott beschreiben (1Kor 2,16[15]). Udo Schnelle hält sachlich-nüchtern fest:

Mit Jesus Christus führten die Christusgläubigen nicht weniger als einen neuen Diskursgründer in die bestehenden religiösen Welten ein und schrieben ihm eine uneingeschränkte soteriologische [= erlösende] Kompetenz zu. Ihm wurden Attribute zugelegt, die im jüdischen Denken bis dahin exklusiv Gott vorbehalten waren. Damit wurde nicht nur Mose als jüdischer Diskursgründer relativiert, sondern indem Jesus Christus als Gekreuzigter und Auferstandener Gegenstand göttlichen Verehrung wurde, überschritten die Christusgläubigen die Grenzen jüdischen Denkens und etablierten in Lehre und Kult eine eigene, neue Diskurwelt.[16]

„Moment!“, haken nun manche ein. „Relativieren die ersten Christen ihre ‚Jesus ist Gott‘-Aussagen nicht dadurch, dass sie ihn oft bloß als ‚Herrn‘ bezeichnen?“ Die Frage ist berechtigt! In der Tat lesen wir häufig Ausrufe wie: „Jeder, der dann den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden. Ihr Leute von Israel, hört her! Bei dem, was wir euch zu sagen haben, geht es um Jesus von Nazaret.“ (Apg 1, 21f.)

Für Westeuropäer des 21. Jahrhunderts mag das vielleicht abgeschwächt klingen, für Juden des 1. Jahrhunderts war es hingegen eine der stärksten Behauptungen überhaupt. Sie wussten: Wer Jesus den „Herr“-Titel zuspricht, der stellt ihn damit Gott/Jahwe gleich.[17] (Eine wichtige Randnotiz: Jesus wurde mit zwar Gott gleichgestellt, aber trotzdem nicht mit Gott, dem Vater identifiziert.)

Nicht nur das krasse Neudenken der ersten Christen über Jesus, den gottverfluchten Hochstapler, hin zu Jesus, den großen Gott und Retter, sondern natürlich auch das leere Grab bedürfen einer guten und vernünftigen Erklärung. Mir ist klar, dass die Auferstehung Jesu hierfür nicht die einzig denkbare Option ist. Es gibt noch jede Menge anderer möglicher Erklärungen: Die Jünger könnten die Auferstehungsbotschaft frei erfunden haben oder sich die Erscheinungen von Jesus nach seinem Tod lediglich eingebildet haben.

Die Auferstehung – Erfindung, Einbildung oder Wahrheit?

Damit haben wir die drei zentralen Bausteine des historischen Randes zusammen: a) Das Grab Jesu war leer, b) die ersten Christen behaupteten kurz darauf aufrichtig und ernsthaft, dass ihnen der auferstandene Jesus erschienen sei, obwohl c) die Auferstehung eines Einzelnen inmitten der Weltgeschichte im jüdischen Denken nicht vorstellbar war. Wie lassen sich diese drei Punkte erklären? Logisch gesehen gibt es nur drei Möglichkeiten, wie es zum Verhalten der frühen Christen gekommen sein kann:

  1. Sie haben die Auferstehung Jesu von den Toten bloß erfunden.
  2. Die ersten Christen waren allesamt Opfer eine Massenhalluzination.
  3. Ihre Behauptung stimmt und die Auferstehung fand wirklich statt.

Diese drei Optionen stehen zur Auswahl. Überlegen Sie gerne selbst, ob es noch weitere Möglichkeiten gibt. Ich wüsste aber ehrlich gesagt nicht, welche: Lüge, Einbildung, Wahrheit – vor diesen drei Schlagwörtern stehen wir, wenn wir die Auferstehungsbotschaft der ersten Christen betrachten. Nehmen wir sie im Folgenden einmal näher unter die Lupe.

Die Auferstehung – eine Erfindung der ersten Christen?

Es ist natürlich denkbar, dass die frühen Christen die Auferstehung Jesu bloß erfunden haben. Aus welchen Gründen auch immer. Diese Möglichkeit ist nicht von der Hand zu weisen, trotzdem aber von Anfang an mit Vorsicht zu genießen: Wie gesagt, war die Auferstehung in der jüdischen Welt immer die Auferstehung aller Gerechten am Ende der Tage. Die Vorstellung, dass es zur Auferstehung eines Einzelnen inmitten der Weltgeschichte kommen würde, war für Juden vollkommen fremd. Es passte einfach nicht in ihr Weltbild. Erschwerend kommt hinzu, dass im jüdischen Glauben auch die Auferstehung des Messias nicht vorgesehen war. Es wäre für ein paar Handwerker und Fischer also eine grandiose Meisterleistung gewesen, ein vollkommen neues Weltbild zu erfinden und erfolgreich zu etablieren, das im jüdischen Denken keinerlei Bezugspunkte hatte.

Aber selbst, wenn wir davon ausgehen, dass ihnen dieser Geniestreich wirklich gelungen ist, stehen wir vor folgender Frage: Wenn die ersten Christen die Auferstehung Jesu erfunden haben, wussten sie auch, dass es sich dabei um eine Lüge handelt. Warum taten sie in der Folgezeit dann aber das, was sie taten: Nachdem sie zunächst voller Furcht in den Jerusalemer Untergrund flohen, gründeten sie bald darauf etliche Christus-Gemeinden (und jeder, der sich mit dem Thema „Gemeindegründung“ auskennt, weiß, was das bedeutet), legten für die Verkündigung der Auferstehungsbotschaft unzählige Kilometer zurück, wurden im Kolosseum Löwen zum Fraß vorgeworfen, nahmen Gefängnis, Folterung und letztendlich sogar den eigenen Tod in Kauf.

Es ist wenig überzeugend, dass Menschen für eine selbst erfundene Lüge all dies taten und über sich ergehen ließen. Anders formuliert: Es ist nicht vernünftig, davon auszugehen, dass jemand freiwillig sein Leben für eine Botschaft opfert, von der er weiß, dass es sich dabei um eine hausgemachte Lüge handelt! Eine Lüge, die – und nun kommt der springende Punkt – im Diesseits mit Gefängnis, Folter und Tod und im Jenseits mit ewiger Qual, Abscheu und Verdammnis bestraft wird.[18] Eine irdische Strafe war für die Jünger übrigens nicht nur von der römischen Obrigkeit, sondern auch aus den eigenen jüdischen Reihen zu erwarten. N.T. Wright schreibt daher vollkommen zu Recht: „Die Auferstehung war immer geradezu prädestiniert, einen in Schwierigkeiten zu bringen, und sie tat das auch regelmäßig.“[19] Wir hören aber von keinem einzigen der Urgemeinde, der auch nur annähernd eingeknickt ist, im Gegenteil.

Hierzu eine kleine Anekdote: Nachdem ich diese Gedanken einmal in einem Vortrag an der Uni zum Thema Auferstehung geäußert hatte, kam anschließend ein Mann zu mir und sagte: „Dann muss ja an dem, was die Terroristen des IS sagen, auch etwas Wahres dran sein. Die gehen schließlich auch freiwillig für das, was sie glauben, in den Tod.“ Ich kann diesen Einwand zwar nachvollziehen, sehe die Lage aber nach wie vor so: Die ersten Christen wären, wenn sie Auferstehung Jesu erfunden hätten, Urheber der Lüge. Die Terroristen der Al-Qaida oder des IS sind das aber nicht. Ich gehe sogar davon aus, dass sie glauben, für die Wahrheit zu sterben.

Aber zurück. Wer als Jude die Auferstehung Jesu verkündigte, musste mit allerlei Problemen rechnen. Das Gesetz Mose sprach schließlich eine eindeutige Sprache: „Wer den Namen des Herrn lästert, der soll unbedingt getötet werden! Die ganze Gemeinde soll ihn unbedingt steinigen, sei es ein Fremdling oder ein Einheimischer; wenn er den Namen lästert, so soll er sterben!“ (3Mos 24,16)

Auch mit Blick auf die Ewigkeit war klar: Wer einen einfachen Menschen ernsthaft als Gott verehrt und verkündet, verstößt nicht nur gegen irgendeines der Zehn Gebote, sondern gegen das erste und wichtigste: „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben!“ (2Mos 20,3) Wir halten fest: Wenn die ersten Christen die Auferstehung Jesu erlogen hätten, hätten sie sich damit nicht nur ihr Diesseits, sondern auch ihr Jenseits freiwillig zur Hölle gemacht. Dass dem so war, ist zwar möglich, aber nicht überzeugend.

Die Auferstehung – eine Einbildung der ersten Christen?

Es ist auch möglich, dass es sich bei den Jesus-Erscheinungen um Halluzinationen gehandelt hat: Die ersten Christen dachten nur, dass sie Jesus lebend gesehen haben und waren von der Wahrhaftigkeit ihrer Einbildung so durchdrungen, dass sie voller Überzeugung die Auferstehung Jesu von den Toten verkündeten. Auf den ersten Blick klingt diese These einleuchtend. Schwieriger (wenn auch nicht unmöglich) wird sie, wenn man ein zweites Mal hinschaut.

Zunächst ist zu sagen, dass Halluzinationen für gewöhnlich über einen längeren Zeitraum auftreten und in diesem Rahmen zumeist stärker oder schwächer werden. Die Jesus-Erscheinungen der ersten Christen ereigneten sich aber über einen Zeitraum von 40 Tagen sehr häufig und hörten dann schlagartig auf. Keiner der ersten Christen (außer Stephanus und Paulus) behauptete jemals wieder, eine ähnliche Erfahrung gemacht zu haben. Dieses Muster entspricht nicht dem von Halluzinationen.

Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang auch der älteste und historisch zuverlässigste Bericht für die Ostererlebnisse der ersten Christen: In seinem Brief an die Gemeinde in Korinth berichtet Paulus, dass erst Petrus von einer Jesus-Erscheinung erzählt, später dann alle Jünger. Daraufhin sagen 500 seiner Anhänger, sie hätten Jesus lebend gesehen. Anschließend berichtet Jakobus, der Bruder Jesu, das Gleiche. (Jakobus war, wie wir in Mk 3,21 und Joh 7,3ff. lesen, lange Zeit skeptischer Beobachter seines Bruders.) Danach erzählen die Apostel, dass ihnen Jesus erschienen sei. Abschließend ist es Paulus, bis dahin Feind und Verfolger der ersten Christenheit, der von einer Jesus-Erscheinung berichtet, die sein Leben fortan auf den Kopf stellt.

Zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten erzählen also verschiedene Menschen – Einzelpersonen wie Gruppen – mit vollem Ernst, dass ihnen der Auferstandene erschienen sei. Dabei fällt auf, dass nicht nur Nachfolger, sondern auch Skeptiker und sogar Gegner Jesu von solchen Erscheinungen berichten. All das macht es schwer zu sagen, dass die jeweiligen Einzelpersonen und Gruppen Opfer einer universalen Massenhalluzination wurden: Es ist schon schwer denkbar, dass alle Anhänger Jesu die gleiche Halluzination zur jeweils gleichen Zeit gehabt haben sollten. Dass zusätzlich aber auch Zweifler wie Jakobus und der Christenverfolger Paulus die gleiche Sinnestäuschung erfahren haben sollten, ist so gut wie unvorstellbar.

Wenn wir uns aber entgegen aller Erwartungen vorstellen, dass sich sowohl Anhänger als auch Skeptiker und Gegner das Weiterleben Jesu eingebildet haben, kommt es zu folgender Frage: Warum bildeten sie sich gerade die Auferstehung ein – also etwas, das im jüdischen Glauben keinen einzigen Anknüpfungspunkt hatte? Juden wussten sich die Auferstehung eines Einzelnen innerhalb der Geschichte gar nicht vorzustellen. Der renommierte Religionsphilosoph und Theologe William L. Craig, erinnert daher völlig zu Recht:

Aufgrund des damaligen jüdischen Glaubens über das Leben nach dem Tod hätten die Jünger, wenn sie Jesus-Halluzinationen hatten, Jesus im Himmel oder in Abrahams Schoß gesehen, wo die Seelen der gerechten Toten dem jüdischen Glauben nach bis zur letzten Auferstehung verweilen würden. Und solche Visionen hätten nicht zu einem Glauben an Jesu Auferstehung geführt. Sie hätten höchstens dazu geführt, dass die Jünger behaupteten, Jesus wäre in den Himmel aufgenommen worden, und nicht von den Toten auferstanden.[20]

Das eigentliche Problem der Halluzinationserklärung ist also gar nicht, dass eine Massenhalluzination von Anhängern wie Gegnern Jesu nur schwer vorstellbar ist. Selbst wenn wir annehmen, dass dieser extrem unwahrscheinliche Fall wirklich eingetreten ist, stehen wir immer noch vor der Frage: Warum halluzinierten alle Betroffenen – also selbst Jakobus und Paulus – den gerade für Juden vollkommen absurden Gedanken eines auferstandenen Jesus?

Im jüdischen Glauben ging man, von ganz anderen Vorstellungen aus, was direkt nach dem Tod passierte: Zur Auferstehung aller Gerechten kam es erst am Tag des Jüngsten Gerichts, vorher spielte sich das Leben nach dem Tod vollständig im Himmel oder bildlich gesprochen „in Abrahams Schoß“[21] ab, wo sich Gott um die Seelen der Gerechten kümmert. Naheliegende Jesus-Visionen hätten sich also eher an diesem Rahmen orientiert.

Zugegeben, dass sich die ersten Christen den auferstanden Jesus nur eingebildet haben, kann nicht zu 100% ausgeschlossen werden. Es ist aber, aus den genannten Gründen, eine ziemlich unwahrscheinliche Erklärung. Wie wir gesehen haben, funktioniert die Halluzinationserklärung bei Weitem nicht so reibungslos, wie es viele gerne hätten.

Die Auferstehung – eine wahre Behauptung?

Wie lassen sich das leere Grab und die Jesus-Erscheinungen der ersten Christen also erklären? Wie gesagt sind die Erklärungen, die uns heute üblicherweise angeboten werden, nicht unmöglich, aber auch nicht wirklich überzeugend: Dass die frühen Christen die Auferstehung erfunden und erlogen haben, liefert uns zwar eine Erklärung für das leere Grab und ihre Verkündigung der Auferstehung – in diesem Fall wären die ersten Christen aber Leute gewesen, die sich sowohl ihr Diesseits als auch ihr Jenseits freiwillig und willentlich zur Hölle gemacht hätten. Ausgeschlossen ist das nicht, aber eben auch nicht sehr vernünftig anzunehmen.

Dass sich alle Mitglieder der Urgemeinde die Auferstehung Jesu bloß eingebildet haben, ist auch alles andere als leicht vorstellbar. Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Halluzinationserklärung in keiner Weise das leere Grab verdeutlicht. Wenn die ersten Christen das Weiterleben Jesu halluziniert haben, warum war dann sein Grab leer? Hier müsste man schon eine zusätzliche Annahme treffen: Nachdem Grabräuber den Leichnam Jesu unbemerkt gestohlen haben, halluzinierten die ersten Christen – selbst Kritiker wie Jakobus und Paulus – die für Juden weder erwartbare noch naheliegende Vision eines auferstandenen Jesus. Und viele ihrer jüdischen Zeitgenossen kauften ihnen das ab. Auch so ein Szenario kann man nicht zu 100% ausschließen. Erklärungen wie diese überzeugen aber immer weniger.

Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist klar: Ist es vernünftig anzunehmen, dass die Botschaft der ersten Christen weder erfunden noch eingebildet ist, sondern der Wahrheit entspricht? Ich sehe ehrlich gesagt nichts, was diese Annahme ausschließt. Zumindest dann nicht, wenn man die Existenz Gottes zu seinem „Repertoire der vernünftigen Annahmen“ zählt. William L. Craig schreibt:

Die Plausibilität der Auferstehung Jesu wächst exponentiell, sobald wir sie in ihrem historischen Kontext, nämlich Jesu beispiellosen Leben und radikalen Behauptungen über sich selbst, und in ihrem philosophischen Kontext, nämlich den Belegen für Gottes Existenz, betrachten. Sobald man die Ansicht übernimmt, dass Gott existiert, ist die Hypothese, dass Gott Jesus von den Toten auferweckt hat, nicht weniger plausibel als die anderen.

Craig hat Recht! Ich würde sogar behaupten, dass die Auferstehung die vernünftigste Erklärung für die Geschehnisse nach dem 7. April 30 ist. Die ersten Christen hatten keine Scheu, die Auferstehung Jesu zu verkünden, gerade weil sie wussten, dass sie der Wahrheit entspricht! Deshalb nahmen sie freiwillig Gefängnis, Folter und sogar qualvolle Tode auf sich, ohne von ihrer Botschaft abzulassen. Sie konnten einfach nicht schweigen von dem, was sie gesehen hatten. Wer kann ihnen das verdenken?

Ihr jenseitiges Leben sahen sie folglich auch nicht in Gefahr, im Gegenteil. Die frühen Christen waren keine Opfer einer bizarren Massenhalluzination, sondern erste Zeugen der Auferstehung – überrascht hiervon wurden vor allem Skeptiker wie Jakobus und erst recht Christenverfolger wie Paulus. Der Glaube an die Auferstehung kann am besten mit der Auferstehung selbst erklärt werden; diese Vorstellung war, wie gesagt, in der jüdischen Welt vollkommen unbekannt.

Es ist aber völlig in Ordnung, wenn Sie sich nicht so weit dem Fenster lehnen möchten, die Auferstehung gleich als die vernünftigste Erklärung für die Geschehnisse anzusehen. Es reicht schon, wenn Sie zustimmen können, dass die Auferstehung eine vernünftige Erklärung für die Geschehnisse ist. Wenn Sie hier mitgehen können, liegt die Schlussfolgerung klar auf der Hand: Selbst wenn die Auferstehung „nur“ eine vernünftige Erklärung für das leere Grab und die Jesus-Erscheinungen sind, ist es vernünftig, von der Richtigkeit des christlichen Glaubens auszugehen.

Der christliche Glaube wird damit nicht automatisch wahr. Nur weil die Auferstehung eine vernünftige Erklärung für die Ereignisse ist, heißt das noch lange nicht, dass sie auch stimmt. Es lässt sich dann aber guten Gewissens und intellektuell redlich sagen: Es ist vernünftig anzunehmen, dass der christliche Glaube wahr sein könnte. Und das ist ja alles andere als eine belanglose Erkenntnis! Im Gegenteil, sie ist so gewaltig, dass sie nahelegt, den christlichen Glauben der ultimativen Feuerprobe zu unterziehen: Gerade weil der historische Rand der Auferstehung ernst zu nehmen ist, sollte man den „Fall Jesus“ nicht zu den Akten legen.

[1] H. Hempelmann (1982): Die Auferstehung Jesu Christi. Eine historische Tatsache? S. 11.

[2] Josephus Ant. 4,8,15.

[3] T. Söding (2005): Das volle und das leere Grab. Zur theologischen Bedeutung einer schwierigen Ostertradition. S. 70.

[4] Vgl. G. Theißen u. A. Merz (2011): Der historische Jesus. Ein Lehrbuch. S. 438.

[5] G. Lüdemann (1994): Die Auferstehung Jesu. Historie, Erfahrung, Theologie. S. 58.

[6] G. Theißen; A. Merz (2011): Der historische Jesus. Ein Lehrbuch. S. 428.

[7] Vgl. die alttestamentarischen Bücher Jesaja 8,23-9,6; 11,1ff.; Micha 5,1ff. u. Sacharja 9,9f.

[8] Vgl. N.T. Wright (2011): Das Neue Testament und das Volk Gottes. S. 226.

[9] Seine Gnade führt auch dazu, dass wir voll Sehnsucht auf die Erfüllung der Hoffnung warten, die unser höchstes Glück bedeutet: das Erscheinen unseres großen Gottes und Retters Jesus Christus in seiner ganzen Herrlichkeit.

[10] Er, der Gott in allem gleich war und auf einer Stufe mit ihm stand, nutzte seine Macht nicht zu seinem eigenen Vorteil aus.

[11] Denn derselbe Gott, der gesagt hat: »Aus der Finsternis soll Licht hervorstrahlen!«, der hat es auch in unseren Herzen hell werden lassen, sodass wir in der Person von Jesus Christus den vollen Glanz von Gottes Herrlichkeit erkennen.

[12] Er wird unseren unvollkommenen Körper umwandeln und wird ihn seinem eigenen Körper gleichmachen, der Gottes Herrlichkeit widerspiegelt. Er hat die Macht dazu, genauso, wie er auch die Macht hat, das ganze Universum seiner Herrschaft zu unterstellen.

[13] Deshalb hat Gott, der Vater ihn auch so unvergleichlich hoch erhöht und hat ihm als Ehrentitel den Namen gegeben, der bedeutender ist als jeder andere Name. Und weil Jesus diesen Namen trägt, werden sich einmal alle vor ihm auf die Knie werfen, alle, die im Himmel, auf der Erde und unter der Erde sind.

[14] Aber für uns steht fest: Es gibt nur einen Gott – den Vater, von dem alles kommt und für den wir geschaffen sind. Und es gibt nur einen Herrn – Jesus Christus, durch den alles geschaffen wurde und durch den auch wir das Leben haben.

[15] Es heißt ja in der Schrift: »Wer hat jemals die Gedanken des Herrn ergründet? Wer wäre je imstande, ihn zu belehren?« Wir jedoch haben den Geist Christi bekommen, sodass uns seine Gedanken nicht verborgen sind.

[16] U. Schnelle (2016): Die ersten 100 Jahre des Christentums. 30-130 n. Chr. S. 97.

[17] Vgl. H. Balz (1992): Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament. Band 2. Spalte 817.

[18] Vgl. E. Schürer (1979): The History of the Jewish People in the Age of Jesus Christ. Vol. 2. S. 545. u. P. Volz (2003): Die Eschatologie der jüdischen Gemeinde im neutestamentlichen Zeitalter. S. 90f.

[19] N.T. Wright (2016): Von Hoffnung überrascht. Was die Bibel zu Auferstehung und ewigen Leben sagt. S. 77.

[20] W. L. Craig (2015): On Guard. Mit Verstand und Präzision den Glauben verteidigen. S. 277.

[21] Im Judentum ein bildlicher Ausdruck zur Bezeichnung der Liebesgemeinschaft, die im Jenseits zwischen Abraham und seinen frommen Nachkommen besteht.