Teil 3 von 5: Was stimmt?

Das vorherige Kapitel war ein Versuch, Ihnen zu zeigen, dass es gut begründet ist, von der Existenz (eines) Gottes auszugehen. Ich hatte hier argumentiert, dass Gott zwar nicht die einzig mögliche, doch aber eine plausible Erklärung für die Existenz unseres Universums und/oder die Feinjustierung unseres Universums und/oder für die Existenz universeller moralischer Werte ist. Und dies stets vor dem Hintergrund der Frage, ob Ihnen persönlich der Erklärungsansatz, der Gott mitdenkt, plausibel oder unplausibel erscheint.

Vielleicht konnten Sie letztendlich auch nur einem der Argumente Ihre Zustimmung geben, also sagen: „Ja, es gibt zwar eine naturalistische Erklärung für Phänomen XY – aber trotzdem erscheint mir auch der Ansatz, der Gott mitdenkt, plausibel.“ Und wenn Sie so denken, gestehen Sie sich ja die nicht unwichtige Erkenntnis ein, dass die Existenz (eines) Gottes begründbar und damit zumindest möglich ist.

„Moment“,

sagen nun einige.

„Aber selbst wenn ich davon ausgehe, dass Gott existiert, ist ja noch nicht wirklich gesagt. Denn warum sollte es ausgerechnet stimmen, was Christen sagen? Warum nicht das, was z.B. die Muslime, Buddhisten oder Hindus sagen? Es wirkt irgendwie krumm, wenn ich einfach sagen würde, der Glaube stimmt, der in meiner Kultur der tonangebende ist.“

Vielleicht beruhigt es Sie an dieser Stelle, wenn ich Ihnen sagen: Dieser Gedanke wirkt nicht nur krumm, er ist es sogar.

Es ist freilich höchst fatal und unreflektiert davon auszugehen, dass der Glaube, der im eigenen kulturellen Kontext die Hauptrolle spielt, deshalb auch stimmt. Eine Weltsicht stimmt natürlich nicht deshalb, weil man mit ihr groß geworden ist oder vielleicht sogar nur sie kennengelernt hat.

Hierzu nur ein Beispiel: Bis zum Ende des Mittelalters war das geozentrische Weltbild in Europa allgemein verbreitet: Kinder wuchsen mit dem Gedanken auf und übernahmen ihn mit in ihr Erwachsenendasein, dass die Erde im Zentrum des Universums steht.

Sie verstehen sicherlich, worauf ich hinaus will. Weltbilder sind nicht per se richtig. Wer z.B. denkt, dass sein christlicher Glaube stimmt, weil seine Eltern Christen sind und/oder er schon immer in eine christliche Gemeinde gegangen ist, der muss sich zu Recht den Vorwurf gefallen lassen, dass dies ein sehr schlechtes Argument für das eigene Weltbild sei. Diese unbequeme – aber trotzdem berechtigte – Gardinenpredigt müssen sich natürlich auch Atheisten, Agnostiker, Muslime, Buddhisten, Hindus etc. gefallen lassen.

Ich würde mich also der Naivität schuldig machen, wenn ich Ihnen empfähle, einfach mal den theistischen Standpunkt näher unter die Lupe zu nehmen, der Ihrer Kultur am ehesten entspricht. Aus diesem Grund möchte ich Ihnen im Folgenden drei Gründe nennen, warum es Sinn ergibt, seine Suche nach Wahrheit beim christlichen Glauben zumindest zu beginnen.

Bitte verstehen Sie mich also nicht falsch: Ich möchte Ihnen nicht weißmachen, warum der christliche Glaube der richtige ist, sondern „nur“, warum es vernünftig ist, seine Expedition ins Reich der Religionen beim christlichen Glauben zu starten.


Ein erster Grund: Christlicher Glaube ist weder religiös noch irreligiös

Ganz häufig begegnet uns in der Welt der Religionen folgendes Bild: Da wird ein herrliches und großes Ziel vor Augen gemalt: der Himmel, die Erlösung, die Erkenntnis. Und Religion ist zumeist sehr gut darin, uns dieses Ziel in den goldensten Farben zu malen und dann Menschen zu sagen:

„Du willst doch dahin, oder? Das schaffst du auch, wir werden dir sagen, wie es geht. Folgende Gebote musst du einhalten, folgende Regeln befolgen, folgende Rituale vollziehen. Und wenn du dich nur immer strebsam bemühst und anstrengst, dann kommst du vielleicht einmal zu diesem herrlichen Ziel.”

Religionen – und ich nehme da die christliche Tradition gar nicht aus – haben es immer sehr gut hinbekommen, uns diesen Weg zu diktieren. Der kann manchmal sehr beschwerlich sein, manchmal auch etwas einfach, aber das „religiöse Prinzip“ ist stets das Gleiche.

Aus religiöser Perspektive ist dieses Prinzip natürlich überaus praktisch, denn wenn ein Mensch an diesen Versprechungen zu Zweifeln beginnt, braucht man nur die Frage: “Ja hast du denn auch wirklich alles eingehalten? Hast du dich auch wirklich angestrengt?”

Ein Alleinstellungsmerkmal des christlichen Glaubens ist nun, dass er in seinem Kern genau das Gegenteil des religiösen Prinzips besagt – nämlich:

„Du kannst dir Gottes Anerkennung und Liebe eben nicht aus eigener Kraft erarbeiten oder verdienen. Das ist unmöglich. Du musst es aber auch nicht: Gott hat, indem er in Jesus selbst Mensch wurde und für deine Verfehlungen am Kreuz gestorben ist, bereits alles getan, damit du zu Gott kommen kannst. Alles, was du zu tun brauchst, ist, dieses Angebot zur Vergebung ehrlich in Anspruch zu nehmen.“

Christlicher Glaube ist daher, wie der Theologieprofessor Timothy Keller ganz richtig schreibt, nicht religiös oder irreligiös: Er ist grundsätzlich anders.

Provokant gesagt: Gott hat, zumindest aus christlicher Sicht, ein Problem mit Religion. Wer im Laufe der Zeit der Institution Kirche wegen dem einen oder anderen Grund skeptisch gegenübersteht, ist daher in allerbester Gesellschaft.


Ein zweiter Grund: Der Kern des christlichen Glaubens ist historisch überprüfbar

Dieser Grund überrascht zumeist diejenigen, die immer noch davon ausgehen, dass Christen zuvorderst an eine Ideologie oder Institution glauben. Dem ist freilich nicht so. Noch überraschender ist es für manche zu hören, dass Christen in erster Linie auch nicht an ein Buch glauben. Denn auch das ist nicht ganz richtig. Christen glauben nämlich in erster Linie an eine Person: an die Person Jesu. Und in diesem Zusammenhang ist nun Folgendes für uns spannend:

Mit dem Aufkommen der textkritischen Forschung und der modernen Geschichtswissenschaft haben Historiker angefangen, Werkzeuge zu entwickeln, die es ihnen ermöglichen, zentrale Fragen über den historischen Jesus und die Historizität seiner Lebensberichte zu beantworten.

Heute im 21. Jahrhundert wissen wir z.B. dass Jesus eine reale historische Person aus Fleisch und Blut wie Julius Cäsar oder Alexander der Große war, den wir mit den standardmäßigen historischen Authentizitätskriterien beleuchten können. Die neutestamentlichen Texte können anhand derselben historischen Methoden untersucht werden wie auch andere Quellen des Altertums.

Und keine Sorge, Historiker behandeln die Bibel nicht wie ein heiliges Buch. Vielmehr betrachten sie das Neue Testament genauso wie jede andere Sammlung historischer Texte und untersuchen es kritisch auf seine historische Zuverlässigkeit. Jens Schröter, Professor für Exegese und Theologie des Neuen Testaments und neutestamentliche Apokryphen an der HU Berlin, fasst den gegenwärtigen Stand der Leben-Jesu-Forschung gut zusammen, wenn er schreibt:

„Historische Jesusforschung kann den christlichen Glauben niemals begründen oder gar seine Richtigkeit beweisen. Sie kann jedoch zeigen, dass dieser Glaube auf dem Wirken und Geschick einer Person gründet, die sich, wenn auch nicht in jedem Detail, so doch in wichtigen Facetten auch heute noch nachzeichnen lassen. Damit leistet sie für die Verantwortung des christlichen Glaubens in der modernen Welt einen substantiellen Beitrag.“

Und Holger Strutwolf, Universitätsprofessor und Direktor des Instituts für neutestamentliche Textforschung in Münster, ergänzt als Vertreter der textkritischen Forschung:

„Als Textkritiker ist zu sagen, dass die handschriftliche Überlieferung des neutestamentlichen Textes sehr treu und im Wesentlichen zuverlässig erfolgt ist, so dass man mit großer Zuversicht sagen kann, dass von textkritischer Seite keine Bedenken bestehen, dass der Text willentlich und grundsätzlich von späteren Tradenten verfälscht worden sein könnte.“

Schröder und Strutwolf stehen damit stellvertretend für die aktuelle Mehrheitsmeinung im wissenschaftlichen Leben-Jesu-Diskurs. Inwiefern uns die historische Überprüfbarkeit der Person Jesu und seiner Lebensberichte dienlich sein kann, dazu werde ich an späterer Stelle noch einmal ausführlich zurückkommen. Bei dahin dürfen Sie jedoch wissen, dass uns sowohl die textkritische Forschung als auch die moderne Geschichtswissenschaft die historische Integrität des Neuen Testaments bezeugen.


Ein dritter Grund: Jesus fasziniert nicht nur Christen

Wer sich die verschiedenen Religionen einmal näher anschaut, kommt man zu einer unerwarteten Entdeckung: In den allermeisten wurde die Person Jesu in ihr religiöses System integriert – und das stets in einer sehr bedeutsamen Funktion. Das macht Jesus in der Tat einzigartig, universell sozusagen. Kein anderer Glaubensstifter kann das von sich behaupten. Wir finden weder Buddha, noch Mohammed, noch sonst jemanden in anderen Religionen durchgängig wieder – Jesus schon:

  • Für viele gläubige Hindus ist Jesus einer der zehn körperlichen Manifestationen Vishnus.
  • Viele Buddhisten – darunter auch der aktuelle Dalai Lama – sehen Jesus als Bodhisattva an, ein Erleuchtungswesen, das nach allerhöchster Erkenntnis und „Buddhaschaft“ strebt.
  • Für Muslime ist Jesus laut Koran ein großer Prophet, der (im Gegensatz zu Mohammed) sogar Wunder vollbracht hat und selbst im Islam als das “Wort Gottes” bezeichnet wird.
  • Und auch in vielen anderen Religionen (Baha‘i, Zeugen Jehovas, Mormonen, Sikhs, New-Age-Bewegung, Unitarier, Jains, Religious-Science-Bewegung usw.) kommt Jesus eine wichtige Rolle zu.

Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht abwegig, sich einmal intensiver mit der Person Jesu auseinanderzusetzen, die so gut wie alle irgendwie fasziniert. Die Lebensbeschreibungen Jesu, die wie gesagt auf historisch stabilen Beinen stehen, sind hier sicherlich ein guter Ansatzpunkt.

Die drei genannten Gründe sind meiner Ansicht nach gute Gründe, seine Reise im Supermarkt der Religionen zumindest einmal beim christlichen Glauben zu beginnen. Und hier würde ich im folgenden Kapitel gerne direkt bei der Mitte ansetzen – bei Jesus.

Im Zentrum des christlichen Glaubens steht ja wie gesagt nicht die Bibel selbst, sondern die Person Jesus. Von ihm glauben die Christen, dass Gott in ihm Mensch geworden ist. Wenn wir Gott kennen lernen möchten, sollten wir uns also mit Jesus auseinandersetzen.

Schauen wir uns den „Fall Jesus“ im folgenden Abschnitt also einmal genauer an.