Argument 38: Wenn wir einen Gott hätten, der im Voraus weiß was geschehen wird, wo wäre dann unsere Endscheidungsfreiheit?

Danke, das ist eine ausgezeichnete Frage. Ich denke, dass unsere Willens- und Entscheidungsfreiheit auch dann nicht gefährdet ist, selbst wenn Gott all unsere Gedanken und Aktionen bereits im Voraus kennt. Menschen, die das nicht so sehen, gehören oder unterstützen zumindest die Strömung des so genannten „theologischen Fatalismus“, wo gesagt wird:

Wenn Gott bereits im Voraus weiß, dass jemand eine bestimmte Sache tun wird, dann hat die Person gar keine andere Wahl mehr, als diese Sache zu tun – und deshalb passiert alles, was passiert notwendigerweise.

Diese Denkweise hat allerdings ein logisches Problem. Das wird gut deutlich, wenn man sich die hier zugrunde liegende Denkstruktur einmal im Detail anschaut:

  1. Wenn Gott bereits im Voraus weiß, dass ich die Sache X tun werde, dann werde ich X notwendigerweise tun.
  2. Gott weiß bereits im Voraus, dass ich X tun werde.
  3. Deshalb muss ich X notwendigerweise tun.

Diese Logik mag auf den ersten Blick zwar bestechend wirken, ist sie aber nicht. Warum? Weil aus den ersten beiden Annahmen, die ich sogar bestätigen würde, nicht folgt, dass ich X notwendigerweise tun muss. Alles, was aus den ersten beiden Annahmen folgt, ist, dass ich X tun werde. Aber nicht, dass ich es notwendigerweise tun muss – ich könnte X immer noch sein lassen. Wenn ich das tun würde, würde Gott das natürlich auch bereits im Voraus wissen. Wenn X also eintritt, weiß das Gott bereits im Voraus. Wenn ich mich gegen X entscheide, weiß Gott auch das bereits im Voraus.

Ich versuche das mal, an einem Beispiel deutlicher zu machen: Gottes Wissen ist sozusagen so etwas wie ein „unfehlbares Barometer“. Ein Barometer irrt sich nie, es liegt stets richtig – aber es bestimmt natürlich nicht das Wetter. Wenn sich das Wetter ändert, ändert sich auch das Barometer. Ganz ähnlich ist es auch mit Gottes Vorwissen: Wir sind frei, alles zu tun oder sein zu lassen, was wir wollen. Wir sind aber nicht frei, das Barometer zu unterwandern. Gott weiß, was wir tun werden. Das heißt also: Unsere Handlungen stehen zwar in einem logischen Zusammenhang mit Gottes Vorwissen. Aber sein Vorwissen steht in einem chronologischen Zusammenhang zu dem, was wir tun werden.