Meine Beobachtung ist: 95% all derer, die diesen Titel lesen, werden ihn leider missverstehen. Wenn Sie sich fragen: „Moment! Können Leute, die nicht an Gott glauben, etwa kein moralisch gutes Leben führen?“ gehören Sie zu diesen 95%. Aber die Frage war auch gar nicht so gemeint. Die Frage war ja nicht, ob Menschen durch den Glauben an Gott gut sein können. Die Frage war:

Können wir, ohne dass Gott existiert, moralisch objektive Werte haben?

Denn ich würde es sofort unterschreiben: Natürlich können Menschen, die nichts mit Gott anfangen können, moralisch anständige Leute sein. Sie können sogar höchst moralisch anständig sein. Sicherlich manchmal sogar moralischer als Leute, die etwas mit Gott anfangen können. Das ist sehr gut möglich und trifft höchstwahrscheinlich auch zu. Aber das trifft wie gesagt nicht den Kern meiner Frage, zielt nicht auf den Kern meiner Argumentation hin. Die lautet nämlich wie folgt:

Wenn Gott nicht existiert, existieren keine objektiven moralischen Werte. Aber: Objektive moralische Werte existieren. Und daraus folgt: Gott existiert.

Diese Argumentation ist recht einfach, ich möchte Sie aber dennoch mal näher erläutern. Was meine ich also mit den einzelnen Punkten, was meine ich z.B. damit, wenn ich behaupte, dass wenn es Gott nicht gibt, es auch keine objektiven moralischen Werte gibt? Ich möchte das im Folgenden kurz erklären:

Prämisse 1 – Wenn es Gott nicht gibt, gibt es keine objektiven moralischen Werte

In einem ersten Schritt ist es sicher klug, die Begriffe zu definieren, mit denen wir hier hantieren. Ich möchte daher ganz kurz unseren mentalen Schreibtisch einmal aufräumen. Mit „objektiv“ meine ich „unabhängig von der Meinung von Leuten“, dementsprechend verstehe ich unter „subjektiv“, dass etwas „abhängig von der Meinung von Leuten“ ist. Zu sagen, dass es objektive moralischen Werte gibt heißt also, dass etwas „richtig“ oder „falsch“ ist, unabhängig davon, was Leute selbst darüber denken. Ein Beispiel: Der Holocaust war auch dann objektiv falsch, selbst wenn die Nationalsozialisten der Meinung waren, dass er richtig war. Und er wäre auch dann noch falsch, wenn die Nazis den 2. Weltkrieg gewonnen und jedem Andersdenkenden eine Gehirnwäsche verordnet hätten, so dass jeder der Ansicht gewesen wäre, der Holocaust sei richtig gewesen.

„Objektiv“ meint also, unabhängig von menschlicher Meinung. Es würde wie gesagt den Holocaust nicht richtig werden lassen, auch wenn jeder ihn als „richtig“ betrachtet hätte. „Subjektiv“ meint folglich, dass etwas abhängig von der menschlichen Meinung ist. Schmeckt zum Beispiel Tee oder Kaffee besser? Ist Schalke oder Bayern der bessere Fußballverein? (Natürlich ist es Schalke!) Ist New York schöner als San Francisco? Hierbei handelt es sich stets um Dinge, die von der subjektiven Meinung des Einzelnen abhängen.

Warum denke ich aber, dass objektive moralische Werte der Existenz Gott benötigen? Weil es für jemanden, der nicht an Gott glaubt, so etwas wie objektive Moralität gar nicht geben kann. Vielleicht klingt das gerade etwas seltsam, aber genau das müssen Menschen annehmen, die Gott wirklich und wahrhaftig ausklammern. Wenn es nämlich keinen Gott gibt, dann ist das die logische und konsequente Sichtweise. Warum ist das aber so? Warum kann es für Leute, die sagen: „Ich glaube nicht an Gott. Ich glaube nur an die Dinge, die man auch empirisch beweisen kann“ – warum kann es für diese Leute keine objektive Moral geben?

Weil man Moral nun mal nicht empirisch beweisen kann. Moral ist nicht im Labor beweisbar. Das ist eine Tatsache. Demzufolge müssen Leute, die nur an die Dinge glauben, die empirisch beweisbar sind, davon ausgehen, dass es sich Dingen, die nicht beweisbar sind, um Illusionen handelt – um subjektive Vorstellungen. Und genau das muss zwangsläufig aus der Weltsicht, die Gott ausklammert, folgern: Moral gibt es, aber nur subjektiv in unseren Köpfen.

Die Analogie findet sich beim Gottesgedanken: Für Leute, die ihr Pferd nur auf das setzen, was man auch beweisen kann, ist Gott eine Illusion – denn Gott ist nun einmal nicht beweisbar. Und mit der Moral ist nun das Gleiche wie mit Gott. Auch Moral ist nicht beweisbar – es wäre also absolut inkonsequent, objektive Moral zu bejahen, aber gleichzeitig Gott zu verneinen. Nein, entweder muss man beides bejahen oder beides verneinen, denn beides – sowohl Gott als auch Moral – sind wie gesagt nicht beweisbar. Und weil sie nicht beweisbar sind, sagen viele Menschen: Es handelt sich bei beiden um subjektive Vorstellungen, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt.

Und das ist konsequentes atheistisches Denken – das ist die richtige und zu Ende gedachte Schlussfolgerung, wenn man davon ausgeht, dass es keinen Gott gibt. Wir sehen also: Für jemanden, der nicht an Gott glaubt, kann es so etwas wie objektive Moralität gar nicht geben, lediglich subjektive Moralität. Daraus folgt: Wenn es keinen Gott gibt, dann gibt es auch keine objektiven moralischen Werte Art. „Moment“, denken vielleicht manche, „soll das etwas bedeuten, dass ich kein moralisch gutes Leben führe, nur weil ich nicht an Gott glaube? Oder soll das heißen, dass ich keine objektiven moralischen Werte haben, weil ich nicht an Gott glaube?

Meine Antwort lautet beide Male: „Nein, das soll es nicht heißen.“ Ich gehe sogar davon aus, dass Sie – auch wenn Sie davon ausgehen, dass es keinen Gott gibt – ein anständiges und moralisches Leben führen. Und ich bin sogar fest davon überzeugt, dass Sie über objektive moralische Werte verfügen.Vielleicht überrascht Sie das ja, aber meine Anliegen war es auch nicht zu zeigen, dass für objektive Moralität der Glaube an Gott notwendig ist.

Nein, das war nie meine Absicht. Es geht mir rein um die Frage: Ist die Existenz Gottes notwendig, damit objektive Moral existieren kann? Wir haben gesehen: Für Leute, nach deren Meinung es keinen Gott gibt, kann es keine objektiven moralischen Werte geben – das schließt die atheistische Sichtweise nun einmal aus, wenn man sie konsequent zu Ende denkt.

Ein (evolutionärer) Einwand

„Moment“, sagen nun einige, „dem ist doch gar nicht so. Natürlich gibt es objektive Moral, aber sie hat ihren Ursprung ihn Gott – denn Gott gibt es nicht, sondern: Es gibt eine evolutionäre Erklärung für moralische Pflichten. Wir haben uns daran gewöhnt, Dinge als „richtig“ und „falsch“ zu bezeichnen, weil sich das langfristig und evolutionär für uns lohnt. Es ist besser fürs Zusammenleben, wenn wir solidarisch sind usw.“

Mein Problem mit diesen Überlegungen wäre nur: Das ist immer noch keine Begründung für objektive moralische Werte. Die Begründung ist hier sekundär: Diese Dinge sind nicht „in sich“ richtig und falsch, sondern wir nennen sie nur so, weil sich das eben evolutionsgeschichtlich nahelegt. Hätte ein anderes Verhalten den gleichen Effekt, hätten wir uns wohl daran gewöhnt, dieses andere Verhalten als recht und unrecht zu bezeichnen.

Außerdem: Nach dieser Überlegungen haben diejenigen unserer Vorfahren, die kooperativ und nicht egoistisch (= altruistisch) waren, in größerer Zahl überlegt als die selbstsüchtigen und grausamen. Diese altruistischen Gene wurden im evolutionären Verlauf an uns weitergegeben, so dass heute die Mehrheit von uns davon ausgeht, dass selbstloses Verhalten „richtig“ ist.

Diese Annahme hat viele Schwachpunkte und hat daher heftige Kritik ausgelöst. Die Kritik lautet wie folgt: Es ist zwar denkbar, dass ein aufopferndes altruistisches Verhalten des Einzelnen gegenüber seinen Blutsverwandten dem Überleben der ganzen Familie oder Clans förderlich ist, so dass es zu einer entsprechend größeren Zahl von Nachkommen mit dem genetischen Material dieser Person kommt.

Aber: Für die Zwecke der Evolution muss jedoch genau die umgekehrte Einstellung, nämlich Feindschaft gegenüber allen Personen, die nicht zum Clan gehören, als moralisch und richtig gelten. Aber heute gehen wir davon aus, dass es ganz allgemein „richtig“ ist, unsere Zeit, unser Geld, unsere Gefühle, ja sogar unser Leben für eine gute Sache einzusetzen – auch dann, wenn wir das für jemanden tun, der „nicht zu uns gehört“. Wir investieren in fremde Menschen, denen es nicht so gut geht wie uns selbst.

Oder: Wenn wir sehen, wie ein Wildfremder in einen Fluss fällt, springen wir hinterher, um ihn zu retten – oder wir haben in dem Falle, wenn wir es nicht tun, ein schlechtes Gewissen. Die meisten von uns fühlen sich selbst dann zum Handeln verpflichtet, wenn die Person im Wasser ihr Feind ist. Meine Frage lautet nun: Wie könnten wir durch natürliche Selektion an diese Eigenschaft kommen? Unser Vorfahren, die so handelten, hätten doch geringere Chance gehabt, zu überleben und ihre Gene weiterzugeben. Nach den Gesetzen des strikten evolutionären Naturalismus – also dem Glauben, dass alles an uns nur das Ergebnis des natürlichen Selektionsprozesses ist), hätte diese Art von Altruismus schon längst aussterben müssen. Aber das ist sie nicht.

Andere Denkmodelle, die Vorteile des Altruismus für das Überleben herauszustellen, bringen ähnliche Schwierigkeiten mit sich: Manche behaupten ja, dass altruistisches Verhalten dem, der es praktiziert, viele indirekte Vorteile bringt. Doch das kann nicht nur unsere Motivation erklären, auch dann selbstlos zu sein, wenn keiner es merkt. Andere sagen, dass selbstloses Verhalten eben der ganzen Gruppe oder Gesellschaft nützt, so dasss diese ihren genetischen Code weitergegeben kann. Doch die einschlägige Forschung ist sich darüber einig – prüfen Sie das gerne nach -, dass die natürliche Selektion nicht bei den ganzen Populationen ansetzt.

Die Evolution kann also den Ursprung unserer moralischen Gefühle nicht erklären, geschweige denn unsere Überzeugung, dass es absolute bzw objektive moralische Maßstäbe gibt, nach denen moralische Gefühle zu bewerten sind. Der irische Schriftsteller C.S. Lewis schreibt hierzu:

Wenn aber der Naturalismus recht hat, kann er in Wirklichkeit weiter nichts sein als eine völlig absurde Anordnung von tomen unter unserer Schädeldecke. Dann denken wir keinen einzigen Gedanken, weil er wahr ist, sondern nur, weil die blinde Natur uns zwingt, ihn zu denken. Dann tun wir nichts, weil es richtig ist, sondern weildie blinde Natur uns zwingt, es zu tun.

[Aber] der naturalistische Schluss ist unglaubwürdig. Schon deshalb, weil wir nur dadurch zu unserem Wissen über die Natur gekommen sind, dass wir uns auf unseren Verstand verließen. Wenn diese Natur uns zu lehren scheint, unser Verstand sei eine zufällige Anordnung von Atomen, dann muss da irgendwo ein Fehler sein; denn was das stimmt, wären die Naturwissenschaften selbst solche Zufallsprodukte und wir hätten keine Ursache, ihnen zu glauben.

Prämisse 2 – Es gibt objektive moralische Werte

Im Jahr 2010 wurden in Deutschland sexuelle Missbrauchsfälle in größerem Umfang in der katholischen Kirche  bekannt. Zum großen Teil hatte keine Strafverfolgung der Täter stattgefunden, auch erhielten die Opfer keinen oder unzureichenden Schutz, zudem kamen Vertuschungsaktionen ans Licht. Seitdem steht das Verhalten kirchlicher Institutionen in der Kritik, auch wenn diese Delikte von höchster kirchlicher Stelle wiederholt öffentlich verurteilt wurden.

Was denken Sie? Ist es nicht eindeutig falsch, Kinder zu missbrauchen, auch dann, wenn es seitens der Täter als „richtig“ empfunden wurde? Und ist es nicht zweifelsfrei falsch, dass einige indischen Religionsgemeinschaften Witwen rituell verbrennen, obwohl sie dies als „richtig“ansehen? Ist der Holocaust nicht eindeutig falsch, auch wenn die Nazis ihn als „richtig“ empfanden?

Ich denke, dass wir da sicherlich Konsens haben: All diese Dinge sind natürlich falsch! Und sie sind nicht „subjektiv falsch“, sondern „objektiv falsch“. Kinder zu missbrauchen und zu vergewaltigen ist nicht richtig, nur weil manche es als richtig empfinden. Es wäre noch nicht einmal richtig, wenn 100% sagen würden, es sei richtig. Selbst dann wäre es falsch – und genau deshalb ist es „objektiv falsch“. Wir sehen also: Es gibt objektive moralische Werte. Bestimmte Dinge sind keine Frage unseres subjektiven Geschmacks, manche Dinge sind in der Tat absolut richtig oder absolut falsch – unabhängig von der menschlichen Meinung über diese Dinge.

Denken Sie, dass alle moralischen Einstellungen zu einem Thema wie zB Völkermord gleichwertig sein sollten und gleichrangig zu behandeln sind? Wenn “ja”, käme ihr Resultat – bei allem Respekt – einer menschlichen Bankrotterklärung gleich. Denn dann würde man sagen, dass die Einstellungen “Völkermord ist richtig” und “Völkermord ist falsch” beide gleichwertig sind. Wenn Sie aber denken: “Nein, es gibt ein Richtig und Falsch in der Frage des Völkermords”, dann bringt genau dieser Gedanke die Existenz objektiver Moral zum Vorschein. Oder: Wenn Sie der Meinung sind, dass die Ansichten, „Ausländerfeindlichkeit ist richtig“ und „Ausländerfeindlichkeit ist falsch“ nicht gleichwertig sind, sondern eine Ansicht „richtig“ und die andere „falsch“ ist, zeigt dies die Existenz objektiver Moral.

Sobald wir sagen, dass eine moralische Einstellung besser sein kann als eine andere, legen wir an beide einen Maßstab an. Wir sagen nämlich, die eine kommt der idealen Norm mehr, die andere weniger nahe. Wir vergleichen beide mit einer höchsten sittlichen Idee und geben damit zu, dass so etwas wie eine letzte „Richtigkeit“ gibt – unabhängig von dem, was Menschen denken – und dass die Einstellungen mancher Menschen dieser letzten Richtigkeit näher kommen als die von anderen. Wenn unsere moralischen Ansichten richtig sind und zB die der Nazis nicht, dann muss es etwas geben (die letzte „Richtigkeit“ nämlich), woran beide Einstellungen gemessen werden können.

Anders formuliert: Der Grund, weshalb Ihre Vorstellung von San Francisco mehr oder weniger zutreffend sein kann als meine, liegt darin, dass San Francisco ein realer Ort ist – ganz unabhängig davon, was Sie oder ich uns darunter vorstellen. Das ist gemeint mit „unabhängig von der Meinung von Menschen“. Wenn San Francisco nur eine Stadt wäre, wie sie sich jeder vorstellen kann, wie könnte dann die eine Vorstellung zutreffender sein als die anderer? Die Frage nach Richtig und Falsch würde dann gar nicht erst auftauchen

Schlussfolgerung –  Es gibt Gott

Wenn Sie – wie ich – beiden Prämissen (mehr oder weniger) zustimmen, sollten Sie sich wirklich einmal Gedanken über die rein logische Schlussfolgerung machen. Denn wenn beide Gedankengänge stimmen – und davon bin ich fest überzeugt – dann stimmt es auch, dass es Gott gibt. Wenn Sie beide Annahmen einen Wahrheitsgehalt zusprechen, wäre es sogar hochgradig unvernünftig, nicht davon auszugehen, dass es Gott gibt.

Denken Sie gerne einmal in Ruhe drüber nach, ich möchte Sie mit meinen Ausführungen ja auch nicht überrollen… Machen Sie sich gerne Gedanken über die beiden Annahmen: “ Wenn Gott nicht existiert, existieren keine objektiven moralischen Werte“ und „Objektive moralischen Werte existieren“ stimmen, dann ist das ein sehr starkes Argument dafür, dass es Gott wirklich gibt.

Und wenn Sie Fragen oder Anmerkungen haben, können Sie gerne einen Kommentar und/oder eine E-Mail schreiben.